Themiskyra – Die Suche (Band 3) (German Edition)
Bedingung lasse ich dich gehen.“ Meine Widerspruchsgeister regten sich bei dieser Wortwahl, doch sein gequälter Blick löste sie in Luft auf. „Du reitest nicht alleine. Ich bringe dich bis zur Grenze des Amazonengebiets und auf dem Rückweg lässt du dich von deinen Freundinnen begleiten. Ich habe dich schon zu oft verloren. Ich werde nicht riskieren, dass das noch einmal passiert.“
Ich war hinüber, als ich kurz vor Mitternacht in Themiskyra eintraf. Wir waren den ganzen Tag unterwegs gewesen, hatten kaum Pausen gemacht und der Entzug von Louis zerrte jetzt schon an meinem Herzen, obwohl wir uns gerade mal vor gut einer Stunde verabschiedet hatten.
„Halt“, rief mich eine der Wächterinnen vor dem Tor mit harscher Stimme an und ich erkannte Tianyu.
„Aella?“, fragte Tawia ungläubig und ließ die Lanze sinken.
„Hallo. Nein – kein Alarm bitte“, bat ich Tianyu schnell, die schon zum Auslöser gegriffen hatte. „Es sei denn, ihr habt den Befehl dazu? Bin ich verbannt?“
„Nein, nichts dergleichen“, gab Tawia verwundert zurück. „Du bist verschwunden .“
„Jetzt bin ich wieder da.“ Zumindest kurz. „Darf ich hinein?“
„Selbstverständlich, Mondflüglige.“ Tianyu schob diensteifrig das Tor zurück.
Also hatte mein Verschwinden den Mythos nicht vergessen lassen. Im Gegenteil. Ich bedankte mich und ritt auf den Hof. Keine Menschenseele begegnete mir, weder hier, noch im Stall, wo ich Hekate eine sehr ausgiebige Fellpflege zuteil werden ließ, während ich versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Doch ich kam auf keinen grünen Zweig und so brachte ich sie schließlich in ihrer angestammten Box unter und ging über den Hof zur Kardia. Fast erwartete ich, Atalantes drohende Silhouette oben am Fenster ihres Studierzimmers zu sehen, aber als ich aufblickte, stand niemand dort. Unbemerkt schlich ich mich an den wenigen Amazonen vorbei, die noch im Atrium zusammensaßen, und huschte lautlos die Treppen hoch. Eine seltsame Form von Heimweh wallte in mir auf, seltsam, weil ich ja zu Hause war. Und dennoch … war es nicht mehr mein Zuhause.
Kannst du nicht erst Polly besuchen? fragte mein Herz bang. Zuerst schlafen? Und morgen ausgeruht dem Donnerwetter, der Verstoßung, der Enttäuschung entgegentreten?
Ich kann es nicht länger aufschieben.
Leise klopfte ich an Atalantes Tür. Da keine Reaktion folgte, öffnete ich sie und trat ein. Nur eine einzige Kerze brannte noch im Kandelaber, die anderen waren heruntergebrannt. Meine Mutter saß auf dem Sofa, die Augen geschlossen, die Beine angezogen, rundherum Chaos aus Papieren und Büchern. Vorsichtig trat ich näher.
Ihre Position sah unbequem aus, offenbar hatte der Schlaf sie bei der Arbeit übermannt, dennoch wirkte sie vollkommen entspannt. Ihr Kopf ruhte an der Rückenlehne, auf einem Kissen aus Haaren, ihre Wimpern warfen lange Schatten auf die Wangen und im sanften Kerzenlicht war keine einzige Falte in ihrem Gesicht zu erkennen. Sie sah so jung aus, so friedlich, so schön.
Wenn ich so alt wie sie bin, werde ich dann fehlerlos sein? Furchtlos?
Ich doch nicht.
Und von ihr erwartest du es?
Ich setzte mich neben sie auf den Boden, darauf bedacht, die Couch nicht zu berühren und Atalante dadurch zu wecken. Doch ihre Amazoneninstinkte schliefen nicht; sie spürte meine Gegenwart und öffnete die Augen.
„Aella“, sagte sie verschlafen. Ein kleines Lächeln breitete sich in ihrem Gesicht aus. Sie streckte die Hand aus und strich mir über den Kopf. Die Geste tat unendlich gut; ich merkte, wie sehr mir ihre Zuneigung abgegangen war.
Genieß sie, bevor sie richtig aufwacht. Dann ist es vorbei mit der Harmonie.
„Du bist zurück.“
„Ja.“ Ich schluckte. „Aber nicht für lange.“
Sie runzelte die Stirn, zog ihre Hand zurück und setzte sich auf.
„Es tut mir leid, dass ich dich enttäuscht habe. Aber ich kann nicht anders –“
„– als mich zu enttäuschen?“, schlug sie kühl vor.
„– als meinem Herzen zu folgen. Ich habe Louis gefunden und werde bei ihm bleiben.“
„Was willst du dann hier?“ Ihre Stimme klang vollkommen emotionslos.
Tränen stiegen mir in die Augen. „Ich habe dich vermisst.“ Die Erinnerung an die Sehnsucht, die ich in meinem Underground -Verlies nach ihr empfunden hatte, drückte mir die Brust zusammen. „Und Themiskyra.“
„Das ist nur natürlich. Du gehörst hierher.“
„Nein, das tue ich eben nicht. Aber kann ich meine Mutter nicht trotzdem vermissen? Muss ich sie denn
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