Themiskyra – Die Suche (Band 3) (German Edition)
zwangsläufig verlieren, wenn ich mich gegen ein Leben hier entscheide?“, stieß ich verzweifelt aus. „Was ist mit meiner Schwester? Willst du sie mir auch nehmen? Mir verbieten, mich mit ihr zu treffen? Willst du –“
„Ell.“ Die Tatsache, dass sie mich mit meinem richtigen Namen anredete, stoppte meinen Wortschwall. „Hast du deine Entscheidung denn noch nicht getroffen?“
„Doch, aber …“
„Dann musst du mit den Konsequenzen leben“, sagte sie nüchtern. „Setz dich.“ Sie klopfte auf den Platz neben sich. Ich wischte meine Tränen am Ärmel ab, rappelte mich auf und ließ mich erschöpft neben ihr nieder.
Wir schwiegen eine ganze Weile, bis Atalante in leichterem Tonfall sagte: „Erzähl mir von deiner Reise.“
Ich wollte nicht von meinen Erlebnissen berichten, ich wollte wissen, woran ich war. „Ich habe bei ein paar Neristas gewohnt“, erklärte ich dementsprechend knapp, „und auf dem Schwarzmarkt gearbeitet, ich wurde fast in die Luft gesprengt, habe mich mit der Citeyer Mafia angelegt, wurde für ein paar Tage unter der Erde eingeschlossen, wo ich mit Drogen vollgepumpt oder wahlweise von selbst fast wahnsinnig wurde. Louis und ein paar Freunde haben mich rausgeholt.“
Für einen Moment wirkte sie entsetzt, dann fing sie sich wieder. „Dumm von dir. Aber auch mutig.“ Ich glaubte, den Hauch eines Lächelns erkennen zu können.
„Louis hat mir das Leben gerettet. Mal wieder“, betonte ich.
„Er ist der Sohn einer Amazone – zu irgendwas muss er ja taugen.“ Ich setzte zu einer empörten Erwiderung an, doch sie nahm mir den Wind aus den Segeln. „Jaja, ich bin sicher, er taugt noch zu mehr, erspar mir die Details.“ Sie seufzte. „Richte ihm meinen ehrlichen Dank für seine Heldentaten aus. Wenn er noch einmal einen Fuß durch das Tor setzt oder mir anderweitig unter die Augen tritt, gnade ihm allerdings die Göttin; ich werde es nicht tun. Und was dich anbelangt –“
Jetzt kommt's, dachte ich und schloss die Augen.
„Dir steht Themiskyra jederzeit offen. Nicht als Amazone. Erwarte keine Almosen von mir, wenn du hungrig bist oder frierst. Du hast dein Leben gewählt und musst selbst damit zurechtkommen. Dennoch steht es dir frei, Polly oder mich zu besuchen, wann immer du möchtest. Und solltest du eines Tages feststellen, dass du dich geirrt und doch den falschen Weg eingeschlagen hast, wirst du hier immer ein Zuhause finden. Selbstverständlich niemals als Paiti, aber als Schwester und Tochter.“
Perplex schlug ich die Augen auf. „Ich darf …“
„Ja.“
„Aber was sagst du den anderen?“
Sie schnaubte nur. „Es ist egal, was ich den anderen Frauen erzähle; sie glauben ohnehin, was sie wollen. Selbst wenn ich ihnen erzählte, dass du mit einer Horde 'Shimet im Wald haust, würden sie noch einen tieferen, mythischen Sinn darin sehen.“
„Aber Areto –“
„Areto ist eine der Schlimmsten. Sie fühlt sich alleine durch die Verwandtschaft mit dir geadelt. Aber abgesehen davon …“, sie setzte sich so um, dass sie mich direkt ansehen konnte, „spielt es keine Rolle, was die anderen denken. Ich will, dass du glücklich bist.“
Okay …
Dieser Satz verschlug mir nun wirklich die Sprache, deshalb fragte sie nach: „Bist du glücklich?“
„Dass du mich nicht verbannst? Natürlich …“
„Davon gehe ich aus. Aber ich meinte etwas anderes. Bist du mit diesem Mashim glücklich?“
„Ja. Glücklicher als je zuvor.“
„Gut.“ Sie lehnte sich zurück.
„Gut?“ Das war alles? Ich traute dem Frieden nicht. „Was gut ?“
„Gut, dass ich dich zum falschen Clan geschickt habe.“
„Was?“ Mein Mund wurde trocken.
„Zum Saveri-Clan. Eigentlich wärest du den Montgomerys zugeteilt gewesen. Das würdest du auch wissen, wenn du beim heimlichen Lesen meiner Bücher etwas aufmerksamer gewesen wärst.“
„Was?“ Ich krallte mich im Lederbezug des Sofas fest.
„Bei Artemis, es wäre schön, wenn du mir ein bisschen Intelligenz und Kombinationsgabe zutrauen würdest. Die hast du nämlich nicht nur von deinem Vater geerbt.“ Ihre scheinbare Ungeduld konnte nicht über ihre Selbstzufriedenheit hinwegtäuschen. „Natürlich habe ich gemerkt, dass du meine Sachen durchwühlt hattest. Natürlich stellte auch ich Nachforschungen an, nachdem ich dich im Bett dieses Arbeiters vorgefunden hatte. Er ist Leonores Sohn.“
Mein Verstand klopfte zaghaft an. Atalante hat vorhin gesagt: Er ist der Sohn einer Amazone . Hätte dir auffallen
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