Themsen, V: Elfenzeit 17: Korsar der Sieben Stürme
lebte«, begann er schließlich zu erzählen.
»Sag bloß, du hast die alte Hexe aus dem Tränkeladen verführt«, staunte der Grogoch, das Schlimmste erwartend.
Auch Pirx schien wie vom Donner gerührt. »Demnach bist du vielleicht sogar der Vater der beiden Verbrecher. Hat man dich deshalb verflucht? Weil du mit dieser Hexe Kinder in die Welt gesetzt hast?«
»Die Götter mögen mich auf der Stelle mit ihren Schicksalsschwertern vierteilen und meinen Kadaver in alle Himmelsrichtungen verstreuen, wenn es so wäre!«, entgegnete Arun pathetisch und reckte die Hände hoch. »Natürlich nicht! Das war alles ganz anders.« Er schüttelte den Kopf. »Die alte Sibyll ist schon so lange alt, dass ich mich gar nicht erinnern kann, wie ihr Gesicht ohne Falten ausgesehen hat.«
Grog brummte und schlug erneut nach der Fliege, die ihn surrend umkreiste. In seinen Augen war Arun ein Tunichtgut und Aufschneider. Aber da er nun mal der Einzige war, der ihnen helfen konnte, hielt er sich zurück.
Der Pirat erzählte weiter: »Diese Orang Laut machte die beste Fischpastete in der ganzen Andamanensee. Und weil ihre Haut nach Honig roch und ihre Lippen wie frische Erdbeeren schmeckten, konnte ich nicht anders, als sie auf meinen Fahrten zu besuchen, auch wenn unsere Treffen immer auf dieselbe Weise endeten.« Arun lachte auf. »Ich glaube, in dieser Zeit habe ich mehr Spucke auf den Küchenboden tropfen lassen, als die Suradet-Brüder in ihrem bisherigen Leben an Seife gesehen haben.«
»Was ist dann passiert?« Der kleine Pirx war ein Stückchen näher gerückt und blickte gespannt zu dem Piraten auf.
»Nun, eines Tages hatten wir uns auf den Turm geschlichen, weil ich ihr mein Schiff, das in der Bucht vor Anker lag, zeigen wollte. Doch sie küsste mich unversehens, und ich verwandelte mich. Da erschrak sie so sehr, dass sie von den Zinnen auf die Felsen hinabstürzte.«
Der Pixie erzitterte bei der Vorstellung. »Sie ist wegen dir gestorben und geistert jetzt hier herum, um sich an dir zu rächen?«, fragte er.
Wieder schüttelte der Pirat den Kopf. »Nachdem ich mich zurückverwandelt hatte, eilte ich natürlich sofort hinab und schenkte ihr sogar etwas von meinem Atem, um ihr neues Leben einzuhauchen. Aber durch den Sturz waren ihre Knochen so sehr zersplittert und verkrümmt, dass sie fortan von allen nur mehr die Bucklige gerufen wurde. Und obwohl sie sich nicht mehr daran erinnern konnte, was oben auf dem Turm passiert war, gab sie trotzdem mir die Schuld und schwor, dass sie es mir eines Tages heimzahlen würde. Sie zog in den Sumpf, weil sie den Spott der Leute nicht mehr ertrug. Seit Jahrzehnten hat sie niemand mehr gesehen, aber ich spüre genau, dass sie noch nach mir Ausschau hält.«
Die letzten Sätze hatte Arun geflüstert. Geduckt stand er am Bug und tauchte die Riemen so lautlos wie möglich ins Wasser.
Eine Weile sagte keiner mehr ein Wort, während das Dingi die Wasserpfade entlang nach Süden vorwärts glitt. In die nächtlichen Geräusche mischten sich andere Klänge, ein leises Läuten und Klimpern, das immer lauter wurde. Licht tauchte vor ihnen auf, ein Leuchten wie von Hunderten Kerzen. Grog bemerkte schnell, dass sich die kleinen Flämmchen bewegten.
»Guckt mal, da sind Glühwürmchen!«, rief Pirx in die Stille hinein. »Lasst uns hinfahren und welche fangen, damit wir nicht weiter im Dunkeln hocken.«
Nachdem sie den Platz erreicht hatten, an dem sich die Wesen tummelten, erkannten sie mit Schrecken, dass es kleine Feuerfeen waren. Sie hatten sich um den Kadaver eines riesigen Leguans geschart und bedienten sich gierig an seinem Fleisch. Ihre kleinen Augen glühten rot auf, als sie die ungebetenen Gäste bemerkten, und einen Augenblick später hatten sie sie bereits umringt.
»Wir haben keinen Hunger«, sagte Arun, ging einen Schritt zurück und hob einen Riemen.
Doch mit Feuerfeen war nicht zu spaßen. In wildem Reigen sausten die gefräßigen Biester um das Boot und steckten es in Brand. Gierig züngelten die Flammen nach den drei Insassen, und ihnen blieb nichts weiter übrig, als sich mit einem beherzten Sprung ins Wasser in Sicherheit zu bringen. Pirx klebte wie eine Klette auf Grogs Rücken, strampelte und zeterte, als müsste er auf der Stelle sterben, wenn auch nur ein Spritzer ihn nass machen würde. Der Grogoch hingegen hatte wieder einmal keine Wahl. Mürrisch arbeitete er sich hinter Arun durch das Wasser, das ihm bis hinauf zum Kinn reichte.
»Schnell hier entlang. Wir müssen
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