Themsen, V: Elfenzeit 17: Korsar der Sieben Stürme
Sie schloss die Augen und lauschte dem Summen des Tiermannes und der auf seltsame Art direkt den Geist ansprechenden Musik, die aus der Höhle drang – sofern man diese Mischung aus Rhythmus und fast eintönigen Schwingungen Musik nennen wollte. Ihre Gedanken trieben davon, nicht zuletzt getragen von den vorsichtigen Berührungen des Tiermannes an ihrem Hals, den Schultern und ihren Brüsten. Als er die kühle Erdfarbe um ihre Brustwarzen herum auftrug, zogen diese sich unwillkürlich zusammen und verursachten ihr einen leisen Schauder.
Vielleicht hätte ich mir doch etwas Zeit mit dem jungen Mann bei der Quelle nehmen sollen
, dachte sie.
Ich werde den Menschen viel zu ähnlich. Hetzen, hetzen und keine Zeit fürs Vergnügen. Aber andererseits … Vermutlich wäre es ohnehin wieder nichts geworden. Ich könnte Vater für seinen Schutzzauber würgen. Er muss diesen Fluch von mir nehmen!
Sie seufzte.
Aber jetzt gibt es wichtigere Probleme als meine Jungfräulichkeit. Zum Beispiel die Unsterblichkeit zurück in die Anderswelt zu bringen
.
»Du bist bereit, Tothautfrau.«
»Rhiannon«, korrigierte die Prinzessin. »Mein Name ist Rhiannon, Tochter von Fanmór, König der Sidhe Crain und Herrscher über Earrach.«
Windreiter zog die Lefzen hoch in einer Gestik, die wohl ein Lächeln sein sollte. »Ri-an-non«, wiederholte er knurrend. »Der Name hat einen guten Klang.«
Während sie ihre Bluse schloss, stellte er die Tiegelchen zurück in die Nische und winkte ihr anschließend, ihm zu folgen. Abermals stiegen sie hinunter in die von schimmernden Perlmuttschalen erhellten Höhlengänge, die Rian wie die Eingeweide der Felsküste vorkamen. Ein heller Ton erhob sich auf einmal über das noch immer andauernde dumpfe Schlagen, Brummen und Surren, mal gedämpfter, dann wieder klar. Weitere begannen ein Wechselspiel um diesen einen Ton herum.
»Was wird gefeiert?«, fragte Rian Windreiter.
»Sie feiern, dass du den Bumerang zurückbringst, mit dem Yacowie Bangarra erschlagen will.«
Rian runzelte die Stirn. »Aber woher wissen sie, dass ich ihn habe?«
»Yacowie weiß immer, wo sein Bumerang ist.«
Die Elfe schwieg dazu. Es war eine Probe gewesen, sie selbst hatte danach verlangt. Was wunderte es sie also, dass Yacowie den Aufenthaltsort seines Bumerangs jederzeit hätte genau sagen und jeden hätte schicken können.
Als sie den Höhlenraum betraten, verstummte die Musik unvermittelt, und aller Augen richteten sich auf die Prinzessin – schwarze und helle, funkelnde und matte, Glupsch- und Schlitzaugen, Knöpfe und Facetten. Stöcke schwebten in der Luft über ausgehöhlten Stämmen oder mit Haut überzogenen schlichten Trommeln. Ein Vogelwesen ließ eine Bambusflöte aus seinem Schnabel gleiten und fing sie mit gefiederten Händen; ein Mann mit hellgrauer ledriger Haut, scharf blitzenden Zähnen im länglich ausgeformten Mund und einem dreieckigen Auswuchs auf dem Rücken ließ eine knochenweiße Panflöte sinken. Mitten im Raum richteten sich einige halbhohe Äffchen auf, deren Gesichter mit weißer Farbe so bemalt waren, dass sie wie Totenschädel wirkten. An Armen und Beinen trugen sie Rasseln aus an bunten Bändern befestigten Samenhülsen.
»Rian!« In der plötzlichen Stille klang Grogs raue Stimme wie eine Explosion. Sie sah in die Richtung, aus der sie ihn gehört hatte, und tatsächlich saß der Kobold dort auf einem Holzstamm. Er sprang auf, als die Elfe ihn ansah, und ein Affenwesen klammerte sich erschrocken an sein Haarkleid und kreischte auf.
»Pass auf, du Dummkopf! Schon vergessen, dass ich dein Fell pflege?«
Brummend griff Grog dem Wesen unter die Arme und setzte es sich auf die Schultern, wo es prompt begann, in seinem Kopfhaar zu wühlen.
»Du hast meinen Bumerang«, hallte Yacowies Stimme durch die Höhle. Der König saß auf seinem Thron, und im Perlmuttschimmerlicht blitzten seine schwarzen Knopfaugen wissend auf.
»Den habe ich«, antwortete Rian und ging auf ihn zu, die Waffe mit beiden Händen vor sich haltend.
Der König griff danach, wog sie kurz prüfend in der Hand und stellte sie dann neben seinem Thron ab. »Gut. Du feierst mit uns, und morgen bekommst du deine neue Aufgabe.«
Rian fügte sich, denn sie hatte kaum eine Wahl. Neben Grog ließ sie sich auf dem Baumstamm nieder, lehnte dankend die zappelnden Termiten und das rohe Fleisch ab, das ihr angeboten wurde, und griff stattdessen reichlich bei den fleischigen Blättern und Blüten zu, die ihr eine Frau mit seidigem
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