Themsen, V: Elfenzeit 17: Korsar der Sieben Stürme
unten allerdings … brrrrr.«
Da ihr Führer ebenfalls eine Pause zu brauchen schien, um sein zerrupftes Gefieder wieder zurechtzuzupfen, setzte Rian sich ebenfalls.
»Was glaubst du, was für Seelen hier ankommen?«, fragte sie. »Die von Grenzgängern? Von Leuten mit Elfenblut?«
»Möglich wär’s. Alle können es nicht sein, denn für Menschen gelten in der Hinsicht andere Regeln als für unsere Schatten.« Er schüttelte sich. Das Thema war ihm sichtlich unangenehm, und wenn Rian darüber nachdachte, fand auch sie es nicht sonderlich erquicklich.
Abermals schüttelte der Vogel sein Gefieder, strich mit dem Schnabel darüber und streckte seine Flügel. Rian fiel auf, dass die Höhle, die vor ihnen weiterführte, zwar niedrig, aber breit war.
»Wir sollten gehen, Grog«, drängte sie. »Wenn er abhebt und zu fliegen beginnt, stehen wir sonst im Dunkeln da.«
Als wolle er die Worte der Elfe unterstreichen, flatterte der Vogel leicht mit den Flügeln. Ohne Vorwarnung blähte er die leuchtende Haut zu einem Sack von beeindruckender Größe auf. Mit einem lauten Schrei entließ er die so angesammelte Luft wieder, erhob sich und segelte mit weit ausgebreiteten Flügeln den Gang hinunter.
Erneut hetzten Rian und Grog hinter dem Vogel her, doch dieses Mal gestaltete die Jagd sich etwas leichter. Noch immer musste er auf Vorsprüngen pausieren, da die Höhle für normalen Flug zu niedrig war, doch die Pausen reichten seinen beiden Verfolgern gerade eben, um im Laufschritt aufzuholen. Feuchtigkeit tropfte überall von der unregelmäßig geformten Höhlendecke, und unzählige Gesteinsspitzen hatten sich oben wie unten gebildet. Rian fühlte sich fast, als liefe sie durch ein millionenfach mit Zähnen besetztes Maul, und das machte ihr den Weg nicht gerade einfacher. Schließlich öffnete sich der breite flache Gang, und mit einem Schrei schwang sich der Vogel in die Höhe.
Sie betraten eine riesige Höhle, in der sie nicht länger auf das Licht ihres Führers angewiesen waren. Ein riesiger See nahm den größten Teil der unterirdischen Kammer ein, und von ihm ging ein heller blauer Schimmer aus, der alles erfüllte. Unzählige weitere Fregattvögel erfüllten die Luft mit ihren Schreien und dem Rauschen ihrer Flügel. Staunend blickte Rian in die Höhe. Es mussten mindestens zwanzig sein, die dort unter der weiterhin dicht an dicht mit Spitzen und Zacken besetzten Decke kreisten, die schmalen langen Flügel weit ausgebreitet und die gegabelten Schwänze ausgestellt.
Während sie zusah, löste sich eines der Tiere und setzte zu einem tiefen Flug dicht über der Wasserfläche an. Als es wieder aufstieg, zappelte ein Fisch in seinem Schnabel. Mit der Beute steuerte der Vogel auf eine in der Mitte des nahezu kreisrunden Sees gelegene, unregelmäßig geformte Felseninsel von fast einhundert Metern Durchmesser zu und landete dort. Männchen mit aufgeblähten Kehlsäcken führten dort Tänze um ihre Weibchen auf und schnäbelten mit ihnen, während weiter innen andere Weibchen auf den Nestern einer ausgedehnten Kolonie saßen. Es schien, als hätten die Vögel an diesem Ort ein Refugium gefunden. Insgesamt waren sicher an die hundert Exemplare vertreten.
»Seltsame Geisterinsel«, stellte Grog fest. »Bis jetzt sehe ich keine Geister, nur eine Menge geistloses Federvieh.«
Rians Blick wanderte zum Wasser, und sie versuchte, in der Tiefe etwas zu erkennen.
»Hoffen wir, dass wenigstens der andere Teil stimmt, der mit der Koralle«, sagte sie. »Wobei es in jedem Fall schwer werden dürfte, sie zu finden.«
Grog druckste herum. »Ich hoffe, du erwartest nicht von mir, dass ich da reingehe«, murmelte er.
Die Elfe sah ihn seufzend an. »Hilfreich wäre es schon, wenn ich den ganzen Seegrund nicht allein absuchen müsste. Aber ich denke, ich schaue mich einfach erst einmal dort unten um, und dann sehen wir weiter.«
»Gut. Ich passe hier so lange auf«, zeigte sich Grog erleichtert.
Rian hob die Augenbrauen, sagte jedoch nichts. Dicht am Ufer schlüpfte sie aus Schuhen und Kleid und streckte einen Fuß ins Wasser. Es war angenehm warm, doch als sie sich zu Grog umdrehte, streifte sie ein kalter Luftzug, der sie frösteln ließ.
»Du verpasst wirklich etwas«, stellte sie fest. »Überleg es dir noch einmal, ob du nicht doch mit ins Wasser möchtest. Drinnen ist es wärmer als an Land.«
Grog winkte ab. »Mit meinem Haar würde ich tiefer tauchen, als mir lieb wäre. Und ich finde es nicht kalt hier.«
Einen Moment
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