Themsen, V: Elfenzeit 17: Korsar der Sieben Stürme
muss schwimmen
. Glitzernder Schuppenkörper, der sich unter der tobenden See auf die Insel der Schwangeren Frau zubewegte. Flossenschlag um Flossenschlag.
Wo bin ich? Wer bin ich?
Zeit hatte keine Bedeutung mehr.
Mit jedem Meter, den die Verwandelte zurücklegte, ließ sie ein Stück ihres Willens hinter sich.
Das Ufer rückte nah und näher, nur noch dieses Ziel hatte der Fisch vor Augen und hielt darauf zu. Die Wellen drückten ihn nach unten, tiefer und tiefer, bis der Sog der nächsten Woge ihn wieder hinaufkatapultierte, ihn aus dem Wasser und an den Strand spülte.
Rian fand nur zögerlich zurück zu ihrem elfischen Sein. Ihr Körper schmerzte, als hätte man ihn durch einen Fleischwolf gedreht und ihre Haut mit einem Reibeisen bearbeitet. Noch mit geschlossenen Augen tastete sie ihre Arme entlang, erforschte sich und stellte erleichtert fest, dass alles wieder an seinem Platz war. Dann hatte sie das Gefühl, als ob sie etwas Haariges an der Hand streifte, und öffnete rasch die Augen.
Das trübe Licht eines wolkenverhangenen Nachmittagshimmels begrüßte sie, doch weit und breit war nichts Haariges zu sehen. Vielleicht hatte sie sich getäuscht; es war in diesem Moment nicht von Bedeutung. Rian war froh, am Leben und wieder zurückverwandelt zu sein, wenn auch schutzlos und nackt. Nun gut, um Kleidung würde sie sich später kümmern. Sie war nicht so wichtig, denn die Luft war warm.
Mit einem Ruck stand die Prinzessin auf und betrachtete ihre Umgebung. Sie war tatsächlich auf der Insel gelandet. Der Sturm hatte sich gelegt, das Wetter aufgeklart. Aber wo waren die Schiffe? Wie viel Zeit mochte vergangen sein? Weder die
Schöne Molly
noch das Verfolgerschiff waren zu sehen. Hatten etwa beide Piratengruppen ihr Ende gefunden?
Müßig, darüber nachzudenken. Rian war frei, war an Land. Gut, es war eine Insel, aber eine auf Landkarten verzeichnete, die in der Menschenwelt regelmäßig von Schiffen angefahren wurde. Also konnte sie sich auf den Weg machen, um jemanden zu finden, der ihr weiterhalf. Möglicherweise gab es ein Tor in die Anderswelt, über das sie nach Crain gelangte. Dazu musste sie sich zuerst orientieren und sich Kleidung besorgen, denn die meisten Menschen waren ziemlich verklemmt. Und es wäre auch weniger auffallend.
Auf Neuseeland waren David und sie ebenso vorgegangen. Nachdem sie der Getreue dorthin versetzt hatte, hatten sie eine Menschenbehausung aufgesucht und Hilfe gefunden.
Nun aber war Rian allein. Zum vielleicht ersten Mal in ihrem Leben
ganz
allein. Aber sie hatte seit dem Aufbruch nach Paris genug Erfahrungen gesammelt, um sich ohne die Hilfe ihrer Freunde oder ihres Bruders durchschlagen zu können. Mit den Menschen wurde Rian leicht fertig, denn sie vermochten keinem Elfenzauber Widerstand zu leisten. Zwar besaßen an diesem Ort sogar Menschen Magie, da die Weltengrenzen fließend und die Herausforderungen dadurch größer waren – aber es wäre ja gelacht, wenn die Prinzessin der Crain an einem solchen Hindernis scheiterte! Nadja war sogar allein nach Annuyn gegangen und hatte sich ebenso allein durch Jangala gekämpft, und das ganz ohne Magie!
Entschlossen stand sie auf, rieb sich den getrockneten Sand von der nackten Haut und sah sich nach Spuren des haarigen Wesens um. War es nicht vielleicht doch real gewesen? Sie fand keine Fußstapfen oder Pfotenabdrücke. Nichts.
»Ich bin sicher, dass ich nicht geträumt habe«, sagte sie laut. »Ich weiß, dass du da bist und dich hier irgendwo versteckst!« Leider lockte die Aussage kein Wesen hervor.
Mittlerweile hatte sich die Sonne durch die Wolkendecke gekämpft und stach brennend auf Rian herab. Sie spürte, wie ihre empfindliche, zarte Elfenhaut am Rücken sofort reagierte, denn sie war nur das Zwielicht der Anderswelt gewohnt. Schnell ging Rian auf die erste Reihe des nahe gelegenen, mit Buschwerk dicht bewachsenen Palmenwäldchens zu.
Als sie einen Fuß ins Dickicht setzte, fühlte sie ein kurzes Kribbeln durch ihren Körper ziehen. Irritiert verharrte sie auf der Stelle. Nach einer Weile wagte sie einen weiteren Schritt, fühlte dieses Kribbeln erneut und runzelte die Stirn. Ihr Blick glitt hinab zu ihren Füßen. Im Spiel von Licht und Schatten breitete sich ihr angenähter Schatten auf den Gräsern und knorrigen Schlingpflanzen aus, und ihre Füße schwebten ein paar Millimeter über dem Boden, ohne ihn richtig zu berühren.
Also befand sie sich – wie erwartet und wie sie es auch spüren konnte – in der
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