Theo Boone - Der Überfall: Band 4 (Heyne fliegt) (German Edition)
einfach nur da und umklammerte die Seiten des Rednerpults, während die Sekunden verstrichen und alle auf ihn warteten. Gleich würde er ihn Ohnmacht fallen.
Zu den schwierigeren Übungen in Mr. Mounts Debattierclub gehörte die spontane Rede, eine Ansprache vor Publikum ohne Notizen, ohne Vorbereitung. Beide Seiten gingen völlig ahnungslos in die Debatte, ohne Vorstellung davon, was zu erwarten war, ohne auch nur eine Vermutung zu haben, was Gegenstand der Diskussion sein würde. Dann gab Mr. Mount das Thema des Tages bekannt, und beide Seiten hatten fünf Minuten, in aller Eile eine schlüssige Argumentation zusammenzustellen und zu formulieren. Der erste Trick war, so Mr. Mount, eine persönliche Verbindung herzustellen. Zu einem Bereich, in dem man sich gut auskannte.
Theo sah Mr. Cerroni an, den er als Verbündeten ausgemacht hatte. » Meine Eltern sind beide Anwälte, und ich habe das Glück, viel Zeit in ihrer Kanzlei verbringen zu dürfen. Ich bin dort sozusagen aufgewachsen und habe viel gelernt, zumindest für einen Dreizehnjährigen. Ich habe zum Thema Enteignungsrecht gründlich recherchiert. Es greift, wenn der Staat den Grundbesitz einer Person beschlagnahmt, weil diese nicht verkaufen will. In unserem Staat ist Grundbesitz ein sehr wichtiges Recht. Die meisten Amerikaner träumen davon, Land zu besitzen, und für die meisten Amerikaner wird dieser Traum wahr.« Er atmete ruhig. Seine Stimme hatte ihren Rhythmus gefunden. Er hatte immer noch furchtbare Angst, aber es war ihm nicht anzumerken. Er dachte an Mr. Mounts ständige Ermahnung: » Sprecht langsam. Sprecht deutlich. Sprecht mit tiefer Stimme.«
Die Menge war still. Weiter so, Theo!
» Das Enteignungsrecht ist ausschließlich in Extremfällen anzuwenden. Ein solcher liegt hier nicht vor. Die Umgehungsstraße ist für das Leben in Strattenburg nicht entscheidend. Tatsächlich wird es sich hier praktisch nicht auswirken, wenn die Umgehungsstraße nicht gebaut wird. Einige wenige mögen vom Bau profitieren, aber die überwiegende Mehrheit wird keinen Unterschied feststellen. Das heißt, dass das Projekt dem Gesetz nach nicht als entscheidend zu betrachten ist. Daher kann sich der Staat auch nicht auf das Enteignungsrecht berufen. Und warum sollte der Staat überhaupt auf diese Weise vorgehen?« Eine kleine Pause, um den Effekt zu verstärken. Ihm fiel ein wunderbares Zitat ein, das er in der Entscheidung in einem Berufungsverfahren gelesen hatte. » Nur weil der Staat groß genug, stark genug, reich genug und mächtig genug ist, hat er nicht das Recht, seinen Bürgern Land wegzunehmen.«
Das saß, und die Menge verlieh ihrer Zustimmung lautstark Ausdruck.
Theo hatte seinen Rhythmus gefunden, hatte Fahrt aufgenommen und genoss es für einen flüchtigen Augenblick, im Rampenlicht zu stehen. Er verlagerte sein Gewicht, wie es alle guten Anwälte tun, wenn sie sich in der Verhandlung an die Geschworenen wenden, und er wäre gern auf und ab gegangen, aber er hing am Mikro fest. Wieder blickte er in Mr. Cerronis freundliches Gesicht.
» Sie haben gehört, wie Reverend Quinn die Farm der Familie beschrieben hat. Ich war selbst dort. Hardie Quinn ist ein Freund von mir und war an dem Video beteiligt. Er ist auf der Farm der Familie aufgewachsen, einem wunderschönen, vierzig Hektar großen Anwesen, auf dem jeder von uns gern leben würde. Dort gibt es alles: dichte Wälder für die Jagd, Quellen und Bäche mit Fischen, einen Fluss für Wildwasserfahrten, offene Wiesen, die Heu liefern, kilometerlange Reit- und Wanderwege. Es gibt ein Baumhaus, eine Scheune, einen Stall, einen Werkzeugschuppen, einen Friedhof und ein altes Farmhaus, in dem sich die Quinns an allen Feiertagen und den meisten Wochenenden versammeln. Auf der Veranda vor dem Haus haben im Laufe der Jahre Hunderte von Quinns Eistee getrunken und über das Leben sinniert. Im Garten haben Hochzeiten und Beerdigungen stattgefunden, und am 4. Juli wird dort immer ein Schwein gebraten. Stellen Sie sich vor, stellen Sie sich nur einmal vor, dass die Straßenbaubehörde Bulldozer anrücken und das Ganze planieren lässt. Das wäre Unrecht.«
In der Menge wurden Beifallsrufe laut.
Die fünf Ratsmitglieder ließen Theo nicht aus den Augen und hingen an seinen Lippen. Er setzte noch eins drauf. » Das wäre Machtmissbrauch.«
Er schaltete einen Gang höher und erhob die Stimme. » Die klugen Leute, die diese Umgehungsstraße geplant haben, halten es für sinnvoll, fünfundzwanzigtausend
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