Theo Boone und das verschwundene Mädchen: Band 2 (German Edition)
Nur die Siebt- und Achtklässler durften sie auf dem Schulgelände bei sich haben. Anrufe, Textnachrichten und E-Mails waren ausschließlich in der Mittagszeit und in den Pausen erlaubt. Wer sein Handy außerhalb dieser Zeiten benutzte, musste es abgeben. Nur etwa die Hälfte der Achtklässler hatte Handys. Viele Eltern hielten nichts davon.
»Hey, Theo, was ist los?«, fragte Aaron Helleberg drei Reihen hinter Theo lautstark.
Theo zuckte lächelnd die Achseln. »Die verspäten sich doch immer.«
Als die vollschlanke Braut endlich unter der Haube war, war es Zeit für die Morgennachrichten. Überschwemmungen in Indien hatten Tausende von Opfern gefordert, und London war völlig unerwartet von einem Schneesturm lahmgelegt worden. Das war’s mit den Nachrichten, und einer der Moderatoren stürzte sich in ein Exklusiv-Interview mit einem Supermodel.
Jeder einzelne Schüler und Lehrer schien Theo anzustarren. Er war nervös und atmete hektisch. Dann kam ihm ein entsetzlicher Gedanke. Was, wenn Ike sich getäuscht hatte? Vielleicht war er einer Fehlinformation aufgesessen, und die Polizei war sich bei der Leiche gar nicht sicher.
Dann würde Theo als Idiot dastehen. Und nicht nur das. Was, wenn die Polizei tatsächlich April aus dem Wasser gezogen hatte?
Er sprang auf und ging zu Mr. Mount, der mit zwei anderen Lehrern zusammenstand. »Ich habe eine Idee«, sagte er und klang dabei erstaunlich selbstsicher. »Warum rufen Sie nicht im Polizeipräsidium an und fragen nach, was los ist?«
»Wen soll ich denn anrufen?«, fragte Mr. Mount.
»Ich gebe Ihnen die Nummer«, sagte Theo.
Mrs. Gladwell kam mit finsterer Miene auf sie zu.
»Warum machst du das nicht, Theo?«, fragte Mr. Mount.
Darauf hatte Theo gehofft. Er sah Mrs. Gladwell an. »Darf ich vom Gang aus die Polizei anrufen?«, fragte er höflich.
Mrs. Gladwell wurde allmählich ebenfalls nervös und überlegte daher nicht lange. »Ja, aber beeil dich.«
Theo verschwand. Draußen im Flur zückte er sein Handy und rief Ike an. Keiner da. Er versuchte es beim Polizeipräsidium– besetzt. Dann rief er Elsa im Büro an, aber die wusste auch nichts Neues. Er probierte es wieder bei Ike, der sich immer noch nicht meldete. Verzweifelt überlegte er, wen er in dieser entsetzlichen Lage noch anrufen konnte, aber ihm fiel niemand ein. Die Uhr auf seinem Handy zeigte 9.27 Uhr.
Theo starrte auf die große Metalltür, die in die Aula führte, wo einhundertfünfundsiebzig Mitschüler und ein Dutzend Lehrer auf die erlösende Nachricht warteten. Eine Nachricht, die Theo höchst dramatisch angekündigt hatte. Diese Tür musste er jetzt öffnen und an seinen Platz zurückkehren. Fieberhaft überlegte er, ob er sich nicht lieber ein Stündchen irgendwo in der Schule verstecken sollte. Er konnte so tun, als wäre ihm übel geworden oder als hätte er einen Asthmaanfall gehabt. Die Bibliothek oder die Turnhalle wären ein gutes Versteck.
Der Türknopf bewegte sich, und Theo hielt das Telefon ans Ohr, als wäre er mitten in einem Gespräch. Mr. Mount kam heraus, sah ihn fragend an und fragte lautlos: »Alles okay?«
Theo nickte lächelnd und tat so, als hätte er die Polizei in der Leitung und alles liefe nach Plan.
Mr. Mount ging wieder in die Aula.
Theo sah mehrere Möglichkeiten. Er konnte das Weite suchen und sich verstecken, er konnte behaupten, die Ankündigung wäre verschoben worden, oder er konnte bei seinem Plan bleiben und um ein Wunder beten. Dieser Ike! Er biss die Zähne zusammen und öffnete die Tür. Alle Blicke hingen an ihm, als er zu seinem Platz zurückging.
Mrs. Gladwell stürzte sich auf ihn. »Was ist los, Theo?«, fragte sie mit hochgezogenen Brauen und ärgerlich funkelnden Augen.
»Kann nicht mehr lange dauern.«
»Mit wem hast du gesprochen?«, wollte Mr. Mount wissen. Eigentlich eine eindeutige Frage.
»Die haben technische Probleme«, erwiderte Theo ausweichend. »Nur noch ein paar Minuten.«
Mr. Mount sah ihn ungläubig an. Theo kehrte eilig zu seinem Platz zurück und versuchte, sich unsichtbar zu machen. Er konzentrierte sich auf den Fernseher, wo ein Hund mit zwei Pinseln zwischen den Zähnen Farbe auf eine Leinwand klatschte, während der Moderator schallend lachte. Bitte, flehte Theo im Stillen, hilf mir. Es war 9. 35 Uhr .
»Hey, Theo, hast du noch mehr Insiderinfos?«, fragte Aaron lautstark. Mehrere Schüler lachten.
»Zumindest sparen wir uns den Unterricht«, konterte Theo.
Zehn Minuten vergingen. Auf den malenden Hund
Weitere Kostenlose Bücher