Theo Boone und das verschwundene Mädchen: Band 2 (German Edition)
abzulaufen hatte. Keiner hatte damit Erfahrung, aber das wurde wohlweislich nicht erwähnt. Einige von ihnen, unter anderem Theo, benahmen sich, als wüssten sie ganz genau, was zu tun war. Besonders nachdrücklich vertrat auch Woody seine Ideen, der fand, als Besitzer des iPads müsse er besonders ernst genommen werden. Ein weiterer Wortführer war Justin, der als bester Sportler der Klasse ein gesundes Selbstbewusstsein besaß.
Aber es gab auch Skeptiker unter den Achtklässlern, die meinten, Jack Leeper habe die Gegend bereits mit April verlassen. Warum sollte er irgendwo bleiben, wo sein Gesicht auf jedem Fernsehbildschirm zu sehen war? Diese Kleingläubigen hielten jeden Versuch, sie zu finden, für zum Scheitern verurteilt. Sie sei weg, werde in einem anderen Bundesstaat, vielleicht sogar im Ausland gefangen gehalten, und man könne nur hoffen, dass sie noch am Leben war.
Aber Theo und die anderen waren fest entschlossen, etwas zu unternehmen, was auch immer. Vielleicht war sie weg, vielleicht auch nicht. Das wusste keiner, aber zumindest taten sie etwas. Vielleicht hatten sie Glück– wer wusste das schon.
Es dauerte lange, bis sich die Mitglieder des Suchtrupps schließlich einigten. Sie würden sich bei ihrer Aktion auf Delmont konzentrieren, ein altes Viertel in der Nähe von Stratten College im nordwestlichen Teil der Stadt. Wer in Delmont wohnte, gehörte nicht gerade zu den Spitzenverdienern. Es gab vor allem Mietwohnungen und -häuser, kaum Eigenheime. Besonders beliebt war die Gegend bei Studenten und erfolglosen Künstlern. Sie kamen zu dem Schluss, dass sich jeder Entführer, der den Namen verdiente, von den wohlhabenderen Vierteln fernhalten würde. Mit größter Wahrscheinlichkeit würde so jemand einen Stadtteil bevorzugen, in dem Fremde keine Seltenheit waren. Folglich konnte man die Suche darauf beschränken. Kaum war die Entscheidung gefallen, waren alle überzeugt, dass April in Delmont im Hinterzimmer eines heruntergekommenen Doppelhauses festgehalten wurde oder– gefesselt und geknebelt– über einer alten Garage versteckt war.
Sie teilten sich in drei Sechsergruppen auf, von denen jede– etwas widerstrebend– ein Mädchen mitnahm. Zehn Minuten nach dem Treffen im Park hatte der Trupp Gibson’s Grocery erreicht, einen Tante-Emma-Laden am Rand von Delmont. Woodys Gruppe nahm sich die Allen Street vor, Justins die Edgecomb Street. Theo, der die Rolle des Oberbefehlshabers übernommen hatte, obwohl er das nicht aussprach, führte sein Team zwei Blocks weiter zur Trover Avenue, wo sie Suchzettel an jeden Strom- oder Telefonmast hefteten, der ihnen unterkam. In einem Waschsalon verteilten sie die Zettel an die Leute, die dort ihre Wäsche erledigten. Sie unterhielten sich mit Fußgängern auf den Gehwegen und baten sie, aufmerksam zu sein. Sie redeten mit alten Männern, die auf ihrer Veranda im Schaukelstuhl saßen, und netten Damen, die in ihren Blumenbeeten Unkraut jäteten. Langsam radelten sie durch die Trover Avenue, musterten Häuser und Wohnblocks und merkten allmählich, dass sie nicht viel erreichten. Wie sollten sie April finden, falls sie in einem der Gebäude eingesperrt war? Hineinsehen konnten sie nicht. An die Tür klopfen und erwarten, dass Leeper öffnete, war auch nichts. Und nach ihr zu rufen und zu hoffen, dass sie aus dem Fenster sah, war erst recht unsinnig. Theo wurde klar, dass sie besser ihre Flyer verteilten und die Belohnung bekannt machten.
Als sie mit der Trover Avenue fertig waren, nahmen sie sich einen Block weiter nördlich die Whitworth Street vor. Dort gingen sie in einem Einkaufszentrum von Tür zu Tür und verteilten ihre Handzettel bei einem Herrenfriseur, einer Reinigung, einem Pizzaservice und einer Wein- und Spirituosenhandlung. Dort war Personen unter einundzwanzig der Zutritt verboten, aber Theo fackelte nicht lange. Er wollte schließlich nicht saufen, sondern seiner Freundin helfen. Mutterseelenallein marschierte er in den Laden, drückte den beiden untätig an den Kassen herumlungernden Verkäufern Zettel in die Hand und war verschwunden, bevor sie protestieren konnten.
Als sie das Einkaufszentrum abgegrast hatten und gehen wollten, kam ein dringender Anruf von Woody. Die Polizei hatte sie in der Allen Street aufgehalten und war gar nicht zufrieden. Theo radelte mit seinem Team los und hatte wenige Minuten später den Ort des Geschehens erreicht. Zwei Streifenwagen der städtischen Polizei und drei uniformierte Beamte waren vor
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