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Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baruch de Spinoza
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sei ein Gesicht ohne Hieroglyphen) und werde im Traume zu ihm Sprechen (d.h. nicht mit wirklichen Worten und wahrer Stimme). Aber Moses werde ich es nicht so (offenbaren); ich rede zu ihm von Mund zu Mund und durch Gesichte, aber nicht in Räthseln, und er schaut das Bild Gottes,« d.h. er wird mich schauen als Genösse, und er wird ohne Erschrecken mit mir sprechen, wie es Exod. XXXIII. 12 steht. Deshalb haben unzweifelhaft die übrigen Propheten die wahre Stimme nicht gehört, und dies wird durch Deut. XXXIV. 10 noch mehr bestätigt, wo es heisst: »und es ist niemals in Israel ein Prophet wie Moses erstanden (eigentlich auferstanden), welchen Gott erkannt hat von Angesicht zu Angesicht.« Dies ist nämlich blos von der Stimme zu verstehen, denn auch Moses hat das Angesicht Gottes niemals gesehen; Exod. XXXIII.
     
    Ausser diesen Mitteln finde ich in der heiligen Schrift keine weiter, durch die Gott sich den Menschen mitgetheilt hat; deshalb darf man auch, wie erwähnt, keine weiter erdichten und zulassen. Allerdings kann Gott sicherlich auch unmittelbar dem Menschen sich mittheilen; denn er theilt sein Wesen unserem Geist ohne Hülfe von körperlichen Mitteln mit; allein wenn ein Mensch durch seinen blossen Verstand etwas erfassen wollte, was nicht in den ursprünglichen Grundlagen unserer Erkenntniss enthalten ist und auch nicht daraus abgeleitet werden kann, so müsste seine Seele viel vollkommener und vortrefflicher als die menschliche sein. Ich glaube deshalb, dass ausser Christus Niemand, zu einer solchen Vollkommenheit vor Andern gelangt ist; nur Christas sind die Beschlüsse Gottes, die die Menschen zum Heil führen, ohne Worte und Gesichte, unmittelbar offenbart worden, und Gott hat durch den Geist Christi sich den Aposteln so offenbart, wie ehedem dem Moses durch die Stimme der Luft. Deshalb kann die Stimme Christi, wie die, welche Mosis hörte, die Stimme Gottes genannt werden, und in diesem Sinne kann man auch sagen, die Weisheit Gottes, d.h. eine übermenschliche Weisheit habe in Christo menschliche Natur angenommen, und Christus sei das Heil der Welt gewesen.
     
    Ich muss indess hier bemerken, dass ich über das, was einige Kirchen über Christus festsetzen, nicht spreche, aber es auch nicht bestreite; denn ich gestehe offen, dass ich es nicht verstehe. Was ich hier behauptet habe, entnehme ich aus der Bibel selbst. Nirgends habe ich aber gelesen, dass Gott Christus erschienen sei und mit ihm gesprochen habe, sondern es heisst, dass Gott durch Christus den Aposteln offenbart worden, dass Christus der Weg des Heiles sei, und dass das alte Gesetz durch einen Engel, aber nicht unmittelbar von Gott mitgetheilt worden sei. Hat daher Moses mit Gott von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mensch zu seinem Nachbar (d.h. vermittelst zweier Körper) gesprochen, so hat Christus mit Gott von Geist zu Geist verkehrt.
     
    Ich behaupte daher, dass ausser Christus Niemand die Offenbarungen Gottes anders als mit Hülfe der Einbildungskraft, d.h. mit Hülfe von Worten und Gesichten empfangen hat, und dass deshalb zur Weissagung es keines höhern Geistes, sondern nur einer lebendigen Einbildungskraft bedarf, wie ich im folgenden Kapitel klar darlegen werde.
     
    Hier ist nun zu ermitteln, was die heilige Schrift unter dem Geist Gottes versteht, welcher den Propheten eingeflösst worden, oder aus dem die Propheten gesprochen haben. Zu dem Ende ist zunächst die Bedeutung des hebräischen Wortes ruagh zu ermitteln, was gemeinhin mit »Geist« übersetzt wird. Dieses Wort bezeichnet, wie bekannt, eigentlich den Wind, aber dient auch zur Bezeichnung von vielem Andern, was sich davon ableitet. Man gebraucht es 1) für den Hauch; so Psalm CXXXV. 17: »es ist auch kein Geist in ihrem Munde;« 2) für das Leben oder das Athmen; so 1. Samuel XXX. 12: »und es ist ihm der Geist wiedergekehrt«, d.h. er hat wieder geathmet. Davon kommt 3) seine Bezeichnung für Lebendigkeit und Kraft; so Josua II. 11: »und es bestand später in keinem Manne der Geist«; ebenso Ezechiel II. 2: »und es kam in mich der Geist (oder die Kraft), der mich auf meinen Füssen stehen liess«. Deshalb bezeichnet es 4) die Güte und Tauglichkeit; so Hiob XXXII. 8: »sicherlich ist sie der Geist im Menschen«, d.h. die Wissenschaft ist nicht blos bei den Greisen zu suchen, denn ich sehe, dass sie von einer besondern Kraft und Anlage des Menschen abhängt. So Num. XXVII. 18: »ein Mann, in dem der Geist ist«. Es bezeichnet ferner 5) die Gedanken der Seele; so

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