Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
gesorgt, dass Alles, was ich schrieb, mit den Gesetzen meines Landes, mit der Frömmigkeit und den guten Sitten durchaus übereinstimme.
Erstes Kapitel
Ueber die Weissagung.
Weissagung oder Offenbarung ist die von Gott dem Menschen geoffenbarte sichere Erkenntniss einer Sache. Prophet ist aber Der, welcher das von Gott Offenbarte Denen erklärt, welche keine sichere Kenntniss der von Gott geoffenbarten Dinge haben können, und die deshalb mit dem blossen Glauben die Offenbarungen aufnehmen müssen. Der Prophet heisst bei den Juden Nabi , d.h. Redner und Dolmetscher; aber in der Bibel gilt er immer als Dolmetscher Gottes, wie aus Exod. VII. 1. erhellt, wo Gott dem Moses sagt: »Siehe, ich bestimme Dich zu dem Gott des Pharao, und Dein Bruder Aaron wird Dein Prophet sein;« als wenn Gott sagte: Weil Aaron durch Verdolmetschung dessen, was Du sagst, an Pharao das Amt eines Propheten übernimmt, wirst Du gleichsam der Gott des Pharao sein, oder Der, welcher Gottes Stelle vertritt.
Ueber die Propheten werde ich in dem nächsten Kapitel handeln; hier aber über die Weissagung. Aus ihrer obigen Definition erhellt, dass die Weissagung eine natürliche Erkenntniss genannt werden kann. Denn das, was wir mit dem natürlichen Licht erkennen, hängt blos von der Erkenntniss Gottes und seinem ewigen Rathschluss ab. Allein da diese natürliche Erkenntniss allen Menschen gemein ist und von den allen Menschen gemeinsamen Grundlagen abhängt, so wird sie von der Menge, die immer nach dem Seltenen und Unnatürlichen strebt und die natürlichen Gaben verachtet, nicht hochgeschätzt, und deshalb soll sie von der prophetischen Erkenntniss verschieden sein. Die natürliche Erkenntniss kann jedoch mit gleichem Rechte, wie jede andere, eine göttliche heissen, da Gottes Natur, soweit wir daran Theil haben und Gottes Rathschluss uns diese Kenntniss gleichsam mittheilt, und sie von der, welche allgemein als die göttliche gilt, nur darin sich unterscheidet, dass letztere Über die Grenzen der natürlichen hinausgeht, und dass die Gesetze der menschlichen Natur für sich nicht ihre Ursache sein können. Allein rücksichtlich der Gewissheit, welche der natürlichen Erkenntniss beiwohnt und der Quelle, aus welcher sie sich ableitet, nämlich von Gott, steht sie in keiner Weise der prophetischen Erkenntniss nach, es müsste denn Jemand meinen oder vielmehr träumen, dass die Propheten zwar einen menschlichen Körper, aber keine menschliche Seele gehabt, und dass deshalb ihr Wahrnehmen und Wissen von ganz andrer Natur wie das unsrige gewesen sei.
Allein wenn auch das natürliche Wissen göttlich ist, so können doch die Verbreiter desselben keine Propheten genannt werden; denn das, was Jene lehren, können die übrigen Menschen mit gleicher Gewissheit und Selbstständigkeit wie Jene erfassen und aufnehmen; des blossen Glaubens bedarf es dazu nicht. Da mithin unsere Seele dadurch allein, dass sie Gottes Natur gegenständlich in sich enthält und an derselben Theil nimmt, die Macht hat, Begriffe zu bilden, welche die Natur der Dinge darlegen und die Einrichtung des Lebens lehren, so kann mit Recht die Natur der Seele in diesem Sinne als die erste Ursache der göttlichen Offenbarung gelten; denn Alles, was wir klar und deutlich einsehen, theilt uns, wie gesagt, die Idee und Natur Gottes mit; zwar nicht durch Worte, aber auf eine viel bessere Weise, die mit der Natur der Seele vortrefflich übereinstimmt, und Jeder, der die Gewissheit des Verstandes gekostet hat, hat unzweifelhaft die eigne Erfahrung davon gemacht. Dies Wenige über das natürliche Licht mag hier genügen, da meine Absicht in dieser Schrift nur auf das gerichtet ist, was die Bibel allein betrifft. Ich gehe deshalb zu den Ursachen und Mitteln über, durch welche Gott den Menschen das offenbart, was die Schranken der natürlichen Erkenntniss überschreitet, und selbst das, was diese Schranken nicht überschreitet; denn nichts hindert Gott, den Menschen selbst das, was sie durch das natürliche Licht erkennen, auch auf andere Weise mitzutheilen, darüber will ich nun ausführlicher handeln.
Alles, was hierüber zu sagen ist, muss aber aus der Bibel selbst entnommen werden. Denn was kann man über Dinge, welche die Grenzen unsres Verstandes Überschreiten, sagen, als das, was uns aus dem Munde oder der Schrift des Propheten selbst verkündet wird, und da es heutzutage, so viel ich weiss, keine Propheten giebt, so bleibt nur übrig, die von den Propheten
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