Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baruch de Spinoza
Vom Netzwerk:
dieser von Gott offenbart worden; nämlich dass alle Maasse desselben nach der Fassungskraft und den Kenntnissen Salomo's ihm offenbart wurden; denn wir brauchen nicht zu glauben, dass Salomo ein Mathematiker gewesen sei, und wir können behaupten, dass er das Verhältniss zwischen Umring und Durchmesser des Kreises nicht gekannt hat, und dass er es mit den gemeinen Handarbeitern wie drei zu eins angenommen. Wenn man behaupten darf, dass ich den Text 1. Könige VII. 23 nicht verstehe, so weiss ich wahrhaftig nicht, was überhaupt in der Bibel verstanden werden kann; denn dort wird einfach und rein historisch der Bau beschrieben, und wenn man annehmen darf, dass die Bibel es anders gemeint, aber aus irgend einem uns unbekannten Grunde es so ausgedrückt habe, so wird damit die Bibel überhaupt über den Haufen gestossen; denn dann kann Jeder mit gleichem Rechte dasselbe von jeder Stelle der Bibel behaupten, und alles Verkehrte und Schlechte, was menschliche Bosheit sich nur erdenken kann, wird dann auf Grund des Ansehns der Bibel vertheidigt und verübt werden dürfen. - Dagegen enthält meine Annahme nichts Gottloses; denn wenn auch Salomo, Esaias, Josua und Andere Propheten waren, so blieben sie doch auch Menschen, und alles Menschliche war ihnen nicht fremd. Ebenso wurde dem Noah nach seiner Fassungskraft offenbart, dass Gott das menschliche Geschlecht verderbe, weil er glaubte, dass die Welt ausserhalb Palästina unbewohnt sei, und die Propheten konnten ohne Verstoss gegen die Frömmigkeit nicht blos dergleichen, sondern noch viel wichtigere Dinge nicht kennen und haben sie auch in Wahrheit nicht gekannt. Denn sie lehrten nichts Besonderes über die göttlichen Eigenschaften, sondern hegten die gewöhnlichen Meinungen über Gott, und danach wurden auch die Offenbarungen eingerichtet, wie ich jetzt mit vielen Stellen der Bibel belegen will. Der Leser kann daraus entnehmen, dass die Propheten nicht wegen der Grösse und Vortrefflichkeit ihres Verstandes, sondern wegen ihrer Frömmigkeit und Beständigkeit Lob und grosse Empfehlung verdienen.
     
    Adam, dem Gott sich zuerst offenbarte, wusste nicht, dass Gott allgegenwärtig und allwissend ist; denn er verbarg sich vor Gott und suchte seine Sünde Tor Gott, wie vor einem Menschen, zu entschuldigen. Gott offenbarte sich ihm auch nach seinen Begriffen als einen Solchen, der nicht überall ist, den Ort und die Sünde Adam's nicht kennt. Denn Adam hörte oder meinte Gott zu hören, wie er durch den Garten ging, ihn rief und suchte, und dann hat er in Anlass seiner Scham ihn gefragt, ob er von dem verbotenen Baum gegessen habe. Adam kannte sonach keine andere Eigenschaft von Gott, als dass er der Schöpfer aller Dinge gewesen. Auch dem Kain offenbarte sich Gott nach seiner Fassungskraft als einen Solchen, der die menschlichen Dinge nicht kennt; auch brauchte Kain keine höhere Kenntniss Gottes zu haben, um seine Sünde zu bereuen. Dem Laban offenbarte sich Gott als den Abraham's, weil Jener glaubte, dass jedes Volk seinen besonderen Gott habe. Man sehe Gen. XXXI. 29. Auch Abraham wusste nicht, dass Gott allgegenwärtig ist und alle Dinge vorausweiss; denn bei dem Hören des Spruchs gegen die Sodomiter bat er Gott, ihn nicht zu vollstrecken, bevor er nicht wusste, dass Alle die Strafe verdient hätten; denn er sagt (Gen. XVIII. 24): »Vielleicht werden fünfzig Gerechte in jener Stadt gefunden.« und Gott selbst offenbarte es nicht anders, denn er sagt nach dem, wie Abraham zu hören meint: »Ich werde jetzt herabsteigen und sehen, ob sie nach der schweren Klage, die bei mir angebracht worden, gehandelt haben, und ich werde erfahren, wenn es sich nicht so verhält.« Das göttliche Zeugniss für Abraham (Gen. XVIII. 18) betrifft auch nur seinen Gehorsam, und dass er sein Gesinde zum Gerechten und Guten anhielt; aber nicht, dass er eine höhere Erkenntniss von Gott besessen. Auch Moses wusste nicht bestimmt, dass Gott allwissend ist, und dass alle menschlichen Handlungen nach seinem Rathschluss erfolgen. Denn obgleich Gott ihm gesagt hatte (Exod. III. 18), dass die Israeliten ihm gehorchen würden, so wurde er doch wieder zweifelhaft und erwiderte (Exod. IV. 1): »Wie aber, wenn sie mir nicht glauben und mir nicht gehorchen?« Daher hat Gott selbst sich ihm als einen Solchen offenbart, der sich zu den menschlichen Dingen gleichgültig verhält und sie nicht kennt; denn er gab ihm zwei Zeichen und sagte (Exod. IV. 8): »Wenn sie dem ersten Zeichen nicht glauben wollten, so

Weitere Kostenlose Bücher