Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Daniel u.s.w. Deshalb antwortete Gott dem Moses: »Du wirst mein Antlitz nicht sehen können,« und da Moses Gott für sichtbar hielt und meinte, dies widerspreche seiner göttlichen Natur nicht, denn sonst hätte er es sich nicht erbeten, so fügt Gott hinzu: »weil Niemand mich schauen und leben wird.« Gott giebt also einen Grund an, der den Ansichten des Moses entspricht; er sagt nicht, dass dies seiner göttlichen Natur widersprechend sei, wie es in Wahrheit ist, sondern es sei nur wegen der menschlichen Schwäche nicht ausführbar. - Als dann Gott dem Moses offenbarte, dass die Israeliten wegen der Anbetung des Kalbes den übrigen Völkern gleich gemacht worden, sagt er XXXIII. 2, 3, er wolle einen Engel schicken, d.h. ein Wesen, was an Stelle des Höchsten für die Israeliten sorgen werde, und er selbst wolle nicht mehr unter ihnen sein. Damit blieb für Moses Nichts, woraus hervorging, dass die Israeliten Gott lieber waren als die übrigen Völker, welche Gott auch der Sorge anderer Wesen oder Engel übergeben hatte, wie aus v. 16 desselben Kapitels erhellt. Endlich offenbarte sich Gott, weil Moses glaubte, dass er im Himmel wohne, demselben so, als wenn er von dem Himmel auf den Berg herabsteige, und Moses stieg selbst zur Anrede Gottes auf den Berg, was nicht nöthig gewesen wäre, wenn er Gott sich hätte überall als gleich zugänglich vorstellen können. Die Israeliten wussten beinah nichts von Gott, obgleich er sich dem Moses offenbart hat; dies zeigte sich, als sie nach wenig Tagen seine Ehre und seinen Dienst auf ein Kalb übertrugen und es für jene Götter hielten, durch welche sie aus Aegypten geführt wurden. Auch ist es nicht glaublich, dass Menschen, welche an den Aberglauben der Aegypter gewöhnt waren, in ihrer Rohheit und gebeugt durch eine harte Sklaverei, etwas Gesundes von Gott gewusst haben, und dass Moses ihnen mehr als den Lebenswandel gelehrt habe, wobei er aber nicht als Philosoph von der Freiheit des Willens ausging, sondern als Gesetzgeber durch die Strenge des Gesetzes sie zu einem guten Lebenswandel nöthigte. Deshalb war für sie ein guter Lebenswandel oder ein wahres Leben und die Anbetung und Liebe zu Gott mehr ein Joch als eine wahre Freiheit und Gnade und Geschenk Gottes; er hiess sie Gott lieben und seine Gesetze befolgen, damit sie Gott für die erhaltenen Wohlthaten (nämlich für die Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei) Dank abstatteten, und er erschreckt sie durch Drohungen, wenn sie diese Gebote übertreten sollten; dagegen versprach er ihnen viel Gutes, wenn sie sie befolgen würden. So behandelte er sie ebenso, wie es die Eltern mit ihren noch unverständigen Kindern zu machen pflegen, und es ist klar, dass sie die Vortrefflichkeit der Tugend und die wahre Seligkeit nicht kannten.
Jonas meinte dem Anblick Gottes sich entziehen zu können; daher scheint auch er geglaubt zu haben, dass Gott die Sorge für andere Länder, ausser Juda, anderen Mächten, die er als Stellvertreter gesetzt, übergeben habe. Im Alten Testament hat Niemand vernünftiger als Salomo über Gott gesprochen, der im natürlichen Licht alle seine Zeitgenossen übertraf. Deshalb stellte er sich über das Gesetz; denn es ist nur Denen gegeben, die der Vernunft und der Zeugnisse der natürlichen Einsicht entbehren; er achtete alle Gesetze, die den König betrafen und hauptsächlich aus dreien bestanden, gering (Deut. XVII. 16, 17); ja er übertrat sie, worin er jedoch irrte und sich eines Philosophen nicht würdig benahm, indem er sich den Lüsten überliess; er lehrte, dass alle Glücksgüter der Sterblichen eitel seien (Prediger Salomo), und dass die Menschen nichts Besseres als ihren Verstand hätten, und dass die Thorheit ihre härteste Strafe sei (Sprüchw. XVI. 23).
Ich muss jedoch zu den Propheten zurückkehren und deren abweichende Ansichten darlegen. Die Rabbiner, welche uns die noch vorhandenen Bücher der Propheten hinterlassen haben (wie in der Abhandlung von Sabbatus I. Blatt 13 S. 2 erzählt wird), haben die Aussprüche des Ezechiel so im Widerspruch mit denen des Moses gefunden, dass sie schwankten, ob sie die Bücher Jenes unter die kanonischen mit aufnehmen sollten; sie hätten sie ganz unterschlagen, wenn nicht ein gewisser Ananias aus eigenem Antriebe ihre Auslegung begonnen gehabt hätte. Sie sagen, dies sei mit grosser Mühe und mit Eifer von ihm geschehen, aber das Nähere geben sie nicht an, ob er nämlich etwa einen Kommentar geschrieben, der wieder verloren
Weitere Kostenlose Bücher