Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
gegangen, oder ob er die eigenen Worte und Reden des Ezechiel dreist geändert und in seinem Sinne zurechtgelegt habe. Mag nun geschehen sein, was da wolle, so scheint zweifellos Kap. 18 nicht mit Exod. XXXIV. 7 und mit Jerem. XXXII. 18 übereinzustimmen. Samuel glaubte, dass Gott nie einen seiner früheren Beschlüsse bereue (1. Sam. XV. 29), denn er sagte zu Saul, der seine Sünden bereute und zu Gott beten und seine Verzeihung erbitten wollte: »Gott werde seinen Beschluss in Betreff seiner nicht ändern.« Dagegen wurde dem Jeremias offenbart (XVIII. 8, 10), dass Gott, wenn er etwas Uebles oder etwas Gutes über ein Volk verhängt habe, es dann bereue, wenn die Menschen nachher sich bessern oder verschlechtern. Dagegen lehrte Joel, dass Gott nur das Ueble bereue (Joel II. 13). Endlich ergiebt sich aus Gen. IV. 7 deutlich, dass der Mensch die Versuchungen zur Sünde überwinden und gut handeln kann; denn dies wird Kain gesagt, der doch, wie aus der Bibel und aus Josephus erhellt, sie nie überwunden hat. Dasselbe ergiebt sich aufs Klarste aus dem oben genannten Kapitel im Jeremias; denn es heisst, Gott bereue einen auf Strafe oder Wohlthat der Menschen gerichteten Beschluss, wenn die Menschen ihren Lebenswandel und ihre Sitten ändern wollen. Dagegen sagt Paulus ganz offenbar, dass die Menschen keine Gewalt über die Versuchungen des Fleisches haben, soweit nicht Gott sie besonders auserwählt und begnadigt habe (Brief an die Römer IX. 10); und wenn er III. 5 und VI. 19 Gott die Gerechtigkeit zutheilt, so beruhigt er sich damit, dass er hier in menschlicher Weise und wegen der Schwäche des Fleisches so spreche.
Aus alledem erhellt also zur Genüge, dass, wie ich behauptet, Gott seine Offenbarungen der Fassung und den Meinungen der Propheten anbequemt hat, und dass die Propheten Dinge, welche die blosse Spekulation und nicht die Liebe und den Lebenswandel betrafen, nicht zu wissen brauchten und auch wirklich nicht gewusst, sondern das Entgegengesetzte gemeint haben. Es kann deshalb durchaus keine Belehrung über natürliche und geistige Gegenstände von ihnen geholt werden, und daraus folgt, dass wir den Propheten nur so weit zu glauben schuldig sind, als es den Zweck und das Wesen der Offenbarung betrifft; im Uebrigen ist das Glauben in Jedes Belieben gestellt. So lehrt uns z.B. die Offenbarung an Kain nur, dass Gott ihn zu einem wahren Leben ermahnt habe; denn das ist die Absicht und das Wesen dieser Offenbarung, aber nicht eine Belehrung über die Willensfreiheit und philosophische Fragen. Wenn also auch in den Worten dieser Ermahnung und ihren Gründen die Willensfreiheit auf das Klarste enthalten ist, so dürfen wir doch das Gegentheil annehmen, da jene Worte und Gründe nur der Fassungskraft des Kain angepasst worden sind. So will auch die Offenbarung von Micha nur sagen, dass Gott dem Micha den wahren Ausgang der Schlacht des Achab gegen Aram offenbart habe, und deshalb brauchen wir auch nur dies zu glauben; was sonst darin enthalten ist über den wahren und falschen Geist Gottes und über das zu beiden Seiten Gottes stehende Heer des Himmels und die anderen Nebenumstände, Alles dies geht uns nichts an, und Jeder mag davon glauben, was mit seinen Einsichten sich vertragt. Dasselbe gilt von den Gründen, mit denen Gott dem Hiob seine Macht über Alles darlegt, wenn es nämlich wahr ist, dass hier eine Offenbarung vorliegt, und dass der Verfasser nur erzählt und nicht, wie Einige meinen, seine eigenen Gedanken vorgetragen hat. Auch diese Gründe sind nur auf die Fassungskraft Hiob's und für seine Ueberzeugung eingerichtet, aber sie sind nicht allgemein für Jedermanns Ueberzeugung gültig. Dies gilt auch für die Gründe Christi, mit denen er die Pharisäer der Hartnäckigkeit und Unwissenheit überführt und seine Jünger zum wahren Leben ermahnt; sie sind den Meinungen und Grundsätzen der Einzelnen anbequemt. Wenn er z.B. den Pharisäern sagt (Matth. XII. 26): »Und wenn der Satan den Satan vertreibt, so ist er in sich selbst gespalten, und wie kann dann sein Reich bestehen?« so wollte er die Pharisäer nur mit ihren eigenen Lehren schlagen, aber nicht lehren, dass es böse Geister und ein Reich solcher gebe. Wenn er seinen Jüngern sagt (Matth. XVIII. 10): »Sorget, dass Ihr Keinen dieser Kleinen verachtet, denn ich sage Buch, ihre Engel u.s.w.,« so will er nur sie ermahnen, nicht stolz zu sein und Niemand zu verachten; aber nichts weiter, was sonst in seinen Gründen enthalten ist, die er mehr
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