Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
einzelnen Fällen aus der Bibel selbst darlegen werde.
Das Erste erhellt aus dem Fall mit Elisa (2. Könige III. 15), welcher, um dem Jerobeam zu prophezeien, ein Saitenspiel verlangte und die Gedanken Gottes erst erfassen konnte, nachdem er sich an der Musik des Saitenspiels ergötzt hatte. Dann prophezeite er dem Jerobeam und seinen Gefährten gute Dinge, was früher nicht geschehen konnte, weil er auf den König erzürnt war, und Zornige wohl Böses, aber nichts Gutes für Die, welchen sie zürnen, sich ausdenken können. Andere sagen zwar, Gott offenbare sich den Traurigen und Zornigen nicht; allein dies ist ein Irrthum; denn Gott offenbarte ja dem auf Pharao erzürnten Moses jene klägliche Ermordung der Erstgeburt (Exod. XI. 5), und zwar ohne Benutzung eines Saitenspiels. Auch dem wüthenden Kain hat Gott sich offenbart, und dem vor Zorn ungeduldigen Ezechiel ist das Elend und die Hartnäckigkeit der Juden offenbart worden (Ezechiel III. 14), und Jeremias weissagte das Unglück der Juden, als er tief traurig und von Lebensüberdruss erfasst war. Josias wollte sogar deshalb nicht ihn, sondern eine Frau gleichen Alters befragen, da diese nach ihrem weiblichen Sinn vielleicht mehr geeignet wäre, Gottes Barmherzigkeit zu offenbaren (2. Chronik XXXIV.). Auch Micha hat dem Ahab niemals etwas Gutes prophezeit, obgleich es von anderen Propheten geschah, wie 1. Könige XX. ergiebt; vielmehr prophezeite er ihm nur alle Uebel aus seinem Leben (1. Könige XXII. 7 und deutlicher 2. Chronik XVIII. 7).
Die Propheten waren daher nach ihrem Temperament mehr zu diesen als zu anderen Prophezeiungen geeignet. Auch die Ausdrucksweise der Propheten wechselte nach ihrer Beredsamkeit; die Prophezeiungen des Ezechiel und Amos sind nicht in der feinen Weise des Esaias und Nahum, sondern in gröberen Wendungen geschrieben, und wenn der Kenner des Hebräischen sich davon näher unterrichten will, so möge er nur die betreffenden Kapitel gleichen Inhalts von verschiedenen Propheten vergleichen, und er wird den grossen Unterschied in der Ausdrucksweise bemerken. Man vergleiche z.B. I. 11-20 des Hofmannes Esaias mit V. 21-24 des bäurischen Amos; und die Ordnung und die Gründe der Weissagung des Jeremias, die er Kap. 49 zu Edom schreibt, mit der Ordnung und den Gründen des Obadia; ferner Esaias XL. 19, 20 und XLIV. 8 mit VIII. 6 und XIII. 2 von Hoseas. Aehnliches gilt von den Uebrigen. Dies zeigt bei richtiger Erwägung, dass Gott keine besondere Ausdrucksweise hat, sondern dass diese je nach der Gelehrsamkeit und Fähigkeit des Propheten bald fein, gedrängt oder streng, rauh oder weitschweifig und dunkel ist.
Auch die prophetischen Erscheinungen und Hieroglyphen wechselten selbst bei dem gleichen Gegenstande; denn dem Esaias erschien der Ruhm Gottes, der den Tempel verlässt, anders als dem Ezechiel. Die Rabbiner behaupten zwar, dass die Erscheinung für Beide dieselbe gewesen sei, und dass nur Ezechiel, als ein Bauer, sie übermässig angestaunt und sie deshalb ausführlich mit allen Nebenumständen geschildert habe. Allein wenn sie darüber keine sichere Ueberlieferung erhalten haben, was ich bezweifle, so sind ihre Angaben reine Erdichtungen. Denn Esaias sah Seraphim mit sechs Flügeln, Ezechiel aber Thiere mit vier Flügeln; Esaias erblickte Gott bekleidet und auf dem Throne sitzend, Ezechiel aber wie ein Feuer. Jeder hat also unzweifelhaft Gott so gesehn, wie er ihn sich bildlich vorzustellen pflegte.
Die prophetischen Erscheinungen wichen auch nicht blos in der Art, sondern auch in der Klarheit von einander ab; die des Zacharias waren so dunkel, dass er selbst sie ohne Erläuterung nicht verstehen konnte, wie auch deren Erzählung ergiebt, und die des Daniel konnten selbst nach ihrer Erläuterung von dem Propheten selbst nicht verstanden werden. Dies kam nicht von der Dunkelheit der geoffenbarten Sache, da sie menschliche Angelegenheiten betraf, die nur, wenn sie noch in der Zukunft liegen, die menschliche Fassungskraft übersteigen, sondern davon, dass die Einbildungskraft des Daniel im Wachen nicht so wie im Traume prophezeien konnte; was daraus erhellt, dass er gleich bei dem Beginn der Offenbarung so bestürzt war, dass er seinen eigenen Kräften nicht mehr traute; also wurde die Sache nur wegen der Schwäche seiner Phantasie und seiner Kräfte so dunkel vorgestellt, dass er sie selbst nach der Erklärung nicht verstand. Dies zeigt, dass die von Daniel gehörten Worte, wie ich oben dargethan habe, nur
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