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Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baruch de Spinoza
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Unwissenheit zu bekennen!
     
    Selbst wenn man aus den Wundern etwas folgern konnte, so konnte es doch in keinem Falle das Dasein Gottes sein. Denn das Wunder ist ein begrenztes Werk und druckt nur eine gewisse und begrenzte Macht aus; man kann daher daraus nicht das Dasein einer Ursache folgern, deren Macht unendlich ist, sondern höchstens eine Ursache von grösserer Macht. Ich sage »höchstens«, denn es kann auch aus dem Zusammenwirken vieler Ursachen ein Werk hervorgehen, dessen Gewalt und Macht schwächer ist wie die Macht dieser Ursachen zusammen, und doch grösser als die Macht jeder einzelnen Ursache. Allein wenn die Naturgesetze, wie gezeigt worden, sich auf unendlich Vieles erstrecken und unter der Bestimmung der Ewigkeit von uns begriffen werden, und da die Natur nach ihnen in einer festen und unveränderlichen Ordnung sich bewegt, so lehren sie selbst uns in gewisser Weise die Unendlichkeit, Ewigkeit und Unveränderlichkeit Gottes. Ich schliesse also, dass Gott, sein Dasein und seine Vorsehung aus den Wundern nicht erkannt werden kann, sondern dass diese weit besser aus der festen und unveränderlichen Ordnung der Natur erkannt werden. Dabei verstehe ich das Wunder in dem Sinne eines Werkes, was die Fassungskraft des Menschen übersteigt, oder von dem man dies annimmt. Denn so weit es als ein Werk gilt, was die Ordnung der Natur zerstört oder unterbricht oder deren Gesetzen widerspricht, so weit kann es (wie ich gleich zeigen werde) nicht blos keine Erkenntniss Gottes gewähren, sondern muss uns sogar die natürliche Kenntniss desselben nehmen und uns in Zweifel über Gott und Alles stürzen.
     
    Auch erkenne ich hier keinen Unterschied zwischen einem Werke gegen die Natur und einem über die Natur, d.h. einem, das nach der Meinung Einiger der Natur zwar nicht widerstreitet, aber doch nicht von ihr hervorgebracht oder bewirkt werden kann. Denn das Wunder entsteht nicht ausserhalb, sondern innerhalb der Natur, wenn man es auch über die Natur stellt; es muss also nothwendig die Ordnung der Natur stören, wenn man diese überhaupt als eine feste und unveränderliche nach Gottes Rathschlüssen anerkennt. Geschähe daher etwas in der Natur, was aus ihren Gesetzen nicht folgte, so müsste es der Ordnung, die Gott in Ewigkeit durch die allgemeinen Naturgesetze für diese festgesetzt hat, widersprechen und würde deshalb gegen die Natur und ihre Gesetze sein, und wollte man daran glauben, so würde es uns an Allem zweifeln machen und zu dem Atheismus führen.
     
    Damit glaube ich den zweiten Satz mit genügend festen Gründen bewiesen zu haben, und wir können daraus von Neuem folgern, dass ein Wunder, sei es gegen oder über die Natur, ein reiner Widerspruch ist. Deshalb kann in der Bibel unter Wunder nur ein Werk der Natur verstanden werden, das, wie gesagt, die Fassungskraft des Menschen übersteigt, oder von dem dies wenigstens angenommen wird.
     
    Ehe ich jedoch zu dem dritten Punkte übergehe, möchte ich vorher meine Ansicht, dass Gott aus den Wundern nicht erkannt werden kann, durch das Ansehen der Bibel bekräftigen. Sie sagt dies zwar nirgends ausdrücklich, allein es kann leicht aus ihr abgeleitet werden, insbesondere aus des Moses (Deut. XIII.) Anweisung, den falschen Propheten, auch wenn er Wunder verrichtet, mit dem Tode zu strafen; denn er sagt: »Und (d.h. wenn auch) geschähe ein Zeichen und Wunder, was er Dir vorausgesagt hat u.s.w., so glaube (doch) den Worten des Propheten nicht, weil der Herr, Euer Gott, Euch versucht u.s.w. Der Prophet werde (deshalb) des Todes schuldig erklärt« u.s.w. Hieraus ergiebt sich, dass auch von falschen Propheten Wunder verrichtet werden können, und dass die Menschen, die nicht durch die wahre Erkenntniss und Liebe zu Gott redlich geschützt sind, ebenso leicht aus den Wundern falsche Götter, wie die wahren erfassen können. Denn Moses setzt hinzu: »weil Jehova, Euer Gott, Euch versucht, damit er wisse, ob Ihr ihn liebt von ganzem Herzen und ganzer Seele.« Ferner haben die Israeliten trotz der vielen Wunder keine gesunde Vorstellung von Gott gewinnen können, wie die Erfahrung gelehrt hat. Denn als sie glaubten, Moses sei von ihnen gegangen, so verlangten sie sichtbare Götter von Aaron, und ein Kalb, welche Schande! war der Begriff ihres Gottes, den sie aus so vielen Wundern sich gebildet hatten. So zweifelte auch Asaph an der Vorsehung Gottes, obgleich er so viele Wunder gehört hatte, und er wäre beinah vom wahren Wege abgewichen, wenn er nicht

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