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Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baruch de Spinoza
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endlich die wahre Seligkeit erkannt gehabt hätte (Psalm XXXVII.). Auch Salomo, zu dessen Zeiten die Angelegenheiten der Juden in der höchsten Blüthe standen, argwöhnt, dass Alles nach Zufall geschehe (Pred. Sal. III. 19, 20, 21; IX. 2, 3). Endlich blieb es beinah allen Propheten dunkel, wie die Ordnung der Natur und die Erlebnisse der Menschen mit ihrem Begriff von Gottes Vorsehung sich vertragen können, obgleich dies doch den Philosophen, die nicht aus Wundern, sondern aus klaren Begriffen die Dinge zu begreifen suchen, immer sehr klar gewesen ist, nämlich Denen, die die wahre Glückseligkeit nur in die Tugend und Seelenruhe setzen und nicht wollen, dass die Natur ihnen, sondern dass sie der Natur gehorchen; denn sie sind gewiss, dass Gott die Natur leitet, wie es ihre allgemeinen Gesetze, und nicht, wie es die besonderen Gesetze der menschlichen Natur verlangen, und dass Gott daher nicht blos auf das menschliche Geschlecht, sondern auf die ganze Natur Rücksicht nimmt.
     
    So erhellt auch aus der Schrift, dass die Wunder keine wahre Erkenntniss Gottes gewähren und die Vorsehung Gottes nicht klar beweisen. Wenn es aber oft in der Bibel heisst, Gott habe ein Wunder gethan, damit er den Menschen bekannt werde, wie in Exod. X. 2 es heisst, Gott habe die Aegypter getäuscht und ein Zeichen von sich gegeben, damit die Israeliten erkennten, dass er Gott sei, so folgt doch daraus noch nicht, dass die Wunder dies wirklich lehren, sondern nur, dass die Juden dies gemeint haben und so durch Wunder sich haben leicht überzeugen lassen. Denn oben im 2. Kapitel habe ich gezeigt, dass die Gründe der Propheten oder die aus den Offenbarungen gebildeten Gründe nicht aus allgemeinen Begriffen hervorgehen, sondern aus den verkehrten Zugeständnissen und Meinungen Derer, welchen die Offenbarung geschieht, oder welche der heilige Geist überzeugen will. Ich habe dies durch viele Beispiele belegt und auch durch das Zeugniss des Paulus, der mit den Griechen ein Grieche und mit den Juden ein Jude war.
     
    Wenn nun auch diese Wunder die Aegypter und Juden nach ihren Meinungen überzeugen konnten, so vermochten sie doch nicht eine wahre Vorstellung und Erkenntniss Gottes zu geben, sondern sie brachten sie nur zu dem Eingeständniss, dass es ein Wesen gebe, was mächtiger als alles ihnen Bekannte sei, und was die Juden, denen damals Alles wider Erwarten glücklich von Statten ging, vor Allem begünstigte, nicht aber, dass Gott gleich für Alle sorge; denn das kann nur die Philosophie lehren. Deshalb glaubten die Juden und Alle, die nur aus dem wechselnden Stand der menschlichen Angelegenheiten und dem ungleichen Schicksal der Menschen Gottes Vorsehung abnahmen, dass die Juden Gott wohlgefälliger als die Uebrigen gewesen seien, obgleich sie sie an wahrer menschlicher Vollkommenheit nicht übertrafen, wie ich in Kap. 3 gezeigt habe.
     
    Ich gehe zu dem dritten Punkte und will aus der Bibel zeigen, dass Gottes Beschlüsse und Gebote und folglich seine Vorsehung in Wahrheit nur die Ordnung der Natur sind; d.h. wenn die Bibel sagt, dies oder jenes sei von Gott oder durch seinen Willen gemacht, so will das in Wahrheit nur sagen, dass es nach den Gesetzen und der Ordnung der Natur geschehen sei, nicht aber, wie die Menge meint, dass die Natur so lange aufgehört habe zu wirken, oder dass ihre Ordnung eine Zeitlang unterbrochen worden sei. Die Bibel lehrt indess das, was sich auf ihre Lehre nicht bezieht, nicht geradezu, weil es nicht ihre Sache ist, wie ich bei dem göttlichen Gesetz dargelegt habe, die Dinge nach ihren natürlichen Ursachen und überhaupt spekulative Begriffe zu erklären. Ich muss deshalb meine Behauptung aus einigen Erzählungen der Bibel, die sie zufällig ausführlicher und mit mehr Nebenumständen giebt, durch Folgerungen ableiten und deshalb einige solche hier vorbringen.
     
    So wird 1. Samuel IX. 15, 16 erzählt, Gott habe dem Samuel offenbart, dass er ihm den Saul schicken werde; dennoch sandte Gott ihn nicht zu Samuel, so wie die Menschen Einen zu dem Andern senden, sondern diese Sendung Gottes war nur die Ordnung der Natur. Saul suchte nämlich laut des vorgehenden Kapitels seine Eselinnen, die er verloren hatte, und als er schon ohne sie nach Hause gehen wollte, ging er auf den Rath seines Dieners zu dem Propheten Samuel, um von ihm zu erfahren, wo er sie finden könnte. Die ganze Erzählung ergiebt, dass Saul keinen andern Befehl Gottes, als diese Ordnung der Natur gehabt hat, um Samuel anzugehen. - In

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