Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
das Wesen noch das Dasein Gottes und folglich auch nicht seine Vorsehung erkannt werden kann, sondern dass dies Alles viel besser aus der festen und unveränderlichen Ordnung der Natur erhellt; 3) werde ich aus einigen Beispielen der Bibel zeigen, dass sie selbst unter den Beschlüssen und dem Willen Gottes und mithin unter seiner Vorsehung nur die Ordnung der Natur versteht, die aus seinen ewigen Gesetzen hervorgeht; 4) endlich werde ich über die Auslegung der Wunder in der Bibel und über das handeln, was hauptsächlich von den Berichten über die Wunder zu halten ist. Dies gehört wesentlich zum Gegenstande dieses Kapitels und wird ausserdem den Zweck meines ganzen Werkes erheblich fördern.
Der erste Satz ergiebt sich leicht aus dem, was ich in Kap. 4 über das göttliche Gesetz dargelegt habe, wonach Alles, was Gott will oder bestimmt, eine ewige Notwendigkeit oder Wahrheit einschliesst. Ich habe daraus, dass der Wille und die Einsicht Gottes dasselbe sind, gezeigt, dass wir dasselbe sagen, wenn wir von Gottes Willen sprechen, oder dass Gott etwas einsieht, und mit derselben Nothwendigkeit, mit der aus der göttlichen Natur und Vollkommenheit folgt, dass Gott ein Ding, wie es ist, erkennt, folgt, dass Gott es, wie es ist, will. Da nun Alles seine Wahrheit nur aus den göttlichen Beschlüssen hat, so folgt, dass die Naturgesetze nur die reinen Beschlüsse Gottes sind, wie sie aus der Nothwendigkeit und Vollkommenheit der göttlichen Natur folgen. Geschähe also in der Natur etwas gegen ihre allgemeinen Gesetze, so würde es nothwendig auch der göttlichen Einsicht, Natur und ihren Beschlüssen widersprechen, und wenn Jemand annähme, dass Gott etwas gegen die Naturgesetze thue, der müsste auch annehmen, Gott handle gegen seine eigne Natur, was nicht verkehrter sein könnte. Dies ergiebt sich ebenso leicht daraus, dass die Macht der Natur die göttliche Macht und Kraft selbst ist, und dass die göttliche Macht das eigentliche Wesen Gottes ist; doch lasse ich dieses hier jetzt bei Seite.
Somit geschieht in der Natur nichts, 9 was ihren allgemeinen Gesetzen widerspricht, und nichts, was damit nicht übereinstimmt oder aus ihnen nicht folgt; vielmehr geschieht Alles, was geschieht, mit Gottes Willen und ewigem Beschluss, d.h. wie gesagt, es geschieht Alles nach Gesetzen und Regeln, welche eine ewige Notwendigkeit enthalten, und die Natur befolgt diese Gesetze und Regeln, welche die ewige Nothwendigkeit und Wahrheit einschliessen, immer, wenn wir sie auch nicht kennen, und ebenso ihre feste und unverbrüchliche Ordnung. Keine gesunde Vernunft kann der Natur eine beschränkte Macht und Kraft zutheilen und annehmen, dass ihre Gesetze nur für Einzelnes und nicht für Alles passen; denn die Kraft und Macht der Natur ist die Kraft und Macht Gottes selbst, und die Gesetze und Regeln der Natur sind die eigenen Beschlüsse Gottes; deshalb ist die Macht der Natur als unendlich anzusehen, und ihre Gesetze sind so ausgedehnt, dass sie Alles, was die göttliche Einsicht erkennt, umfassen. Sonst müsste man annehmen, Gott habe die Natur so ohnmächtig geschaffen und ihre Gesetze und Regeln so dürftig bestellt, dass er ihr wiederholt von Neuem beistehen müsse, um sie zu erhalten und um die Dinge nach seinem Willen gehen zu machen, was durchaus verkehrt sein würde.
Aus diesem Grunde also, dass in der Natur Alles nur nach ihren Gesetzen erfolgt, und dass diese Gesetze auf Alles, was die göttliche Einsicht vorstellt, sich erstrecken, und dass die Natur eine feste und unveränderliche Ordnung innehält, folgt auf das Klarste, dass das Wort »Wunder« nur auf die Meinungen der Menschen sich bezieht und nur ein Werk bedeutet, dessen natürliche Ursache wir an dem Beispiel eines andern bekannten Gegenstandes nicht erklären können, oder wo wenigstens Der, der dies nicht kann, das Wunder niederschreibt oder erzählt. Ich könnte zwar sagen, ein Wunder sei das, dessen Ursache aus den Prinzipien der natürlichen Dinge, soweit sie dem natürlichen Lichte bekannt sind, sich nicht erklären lasse; allein da die Wunder für den Verstand der Menge geschahen, welche die obersten Grundsätze der natürlichen Dinge gar nicht kannte, so haben offenbar die Alten das für ein Wunder gehalten, was sie nicht in der Weise erklären konnten, wie die Menge die natürlichen Dinge zu erklären pflegt, d.h. durch Benutzung der Erinnerung an einen andern ähnlichen Fall, den sie ohne Staunen sich vorzustellen pflegt; denn die Menge meint
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