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Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baruch de Spinoza
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eine Sache dann genügend einzusehen, wenn sie sich nicht darüber verwundert. Die Alten und Alle bis ziemlich auf den heutigen Tag hatten nur diesen Maassstab für die Wunder; es kann deshalb nicht auffallen, wenn in der Bibel Vieles als Wunder berichtet wird, dessen Ursachen aus bekannten Naturgesetzen leicht erklärt werden kann. So habe ich dies schon in Kap. 2 gethan, bei dem Stillstehn der Sonne für Josua und bei ihrem Zurückgehen zur Zeit des Achaz; indess werde ich darüber bald noch ausführlicher sprechen bei der Erklärung der Wunder, die ich in diesem Kapitel zugesagt habe.
     
    Es ist aber nun Zeit, zu dem zweiten Punkt überzugehen, wonach wir Gottes Wesen und Dasein und Vorsehung nicht durch die Wunder, sondern viel besser aus der festen und unveränderlichen Ordnung der Natur erkennen. Ich werde das in folgender Weise darlegen.
     
    Da Gottes Dasein nicht von selbst klar ist, so muss es aus Begriffen gefolgert werden, deren Wahrheit so fest und unerschütterlich ist, dass keine Macht möglich und denkbar ist, die sie verändern könnte. Wenigstens müssen sie uns von der Zeit ab so gelten, wo wir das Dasein Gottes aus ihnen folgern, wenn wir aus ihnen dasselbe erhaben über jeden zufälligen Zweifel folgern wollen. Denn wenn man sich vorstellen könnte, dass diese Begriffe von irgend einer Macht verändert werden könnten, so wäre deren Wahrheit zweifelhaft und folglich auch unser Schluss für das Dasein Gottes, und es gäbe keine Gewissheit für irgend, einen Gegenstand. - Ferner kann nur das mit der Natur in Uebereinstimmung oder Widerspruch sein, was mit ihren Prinzipien stimmt oder denselben widerspricht. Nähme man daher an, dass in der Natur etwas von irgend einer Macht, sei sie, welche sie wolle, geschehen könnte, was der Natur widerspräche, so würde es auch jenen Begriffen widersprechen und müsste deshalb als widersinnig verworfen werden, oder man müsste an diesen obersten Begriffen, wie gezeigt, und folglich auch an Gott und an allen Regeln überhaupt zweifeln. Die Wunder sind also weit entfernt, als Werke, die der Ordnung der Natur widersprechen, das Dasein Gottes uns zu beweisen; vielmehr müssten sie uns daran zweifeln lassen, da man ohne sie dessen unbedingt gewiss sein konnte, sofern man nämlich weiss, dass Alles in der Natur eine feste und unveränderliche Regel befolgt.
     
    Wenn man aber annimmt, dass ein Wunder das sei, was aus natürlichen Ursachen sich nicht erklären lässt, so kann dies in zwiefachem Sinne gemeint sein; einmal so, dass es zwar seine natürlichen Ursachen habe, die der menschliche Verstand nur nicht ermitteln könne, oder dass es keine Ursache ausser Gott oder Gottes Willen habe. Allein da Alles, was aus natürlichen Ursachen geschieht, auch nur durch Gottes Macht und Willen geschieht, so muss man dahin gelangen, dass das Wunder, mag es natürliche Ursachen haben oder nicht, ein Werk ist, was aus Ursachen nicht erklärt werden kann, d.h. ein Werk, was die Begriffe der Menschen übersteigt. Aber aus einem Werke, und insbesondere aus einem, was unsern Verstand übersteigt, kann man nichts begreifen; denn Alles, was man klar und deutlich einsieht, muss durch sich selbst oder durch ein Anderes erkannt werden, was durch sich selbst erkennbar ist. Deshalb kann man aus einem Wunder oder einem Werke, was unsre Begriffe übersteigt, weder Gottes Wesen noch Dasein noch irgend etwas über Gott und seine Natur erkennen, vielmehr folgt, wenn Alles von Gott bestimmt und angeordnet ist, und die Wirkungen der Natur aus Gottes Wesen sich ergeben, und die Naturgesetze nur die ewigen Beschlüsse und Bestimmungen Gottes sind, dass wir Gott und seinen Willen um so besser erkennen, je besser wir die natürlichen Dinge erkennen und einsehen, wie sie von ihrer obersten Ursache abhängen, und wie sie nach den ewigen Naturgesetzen wirken.
     
    Deshalb können in Bezug auf ungern Verstand mit weit mehr Recht die Werke, welche man klar und deutlich erkennt, Gottes Werke heissen und auf seinen Willen bezogen werden, als die, welche man nicht kennt, wenn sie auch die Einbildungskraft sehr beschäftigen und die Menschen zum Anstaunen hinreissen. Nur die Werke der Natur, welche klar und bestimmt erkannt sind, machen die Erkenntniss Gottes erhabener und lehren den Willen und die Beschlüsse Gottes auf das Klarste. Diejenigen treiben also ein leeres Spiel, welche, wo sie einen Gegenstand nicht verstehen, zum Willen Gottes ihre Zuflucht nehmen; fürwahr eine lächerliche Art, seine

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