Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
unfruchtbar gewesen, oder dass Blinde durch den Glauben geheilt worden, so darf uns das nicht mehr überraschen, als wenn sie sagt, Gott sei über der Menschen Sünden erzürnt, betrübt; er bereue, ihnen Gutes verheissen und gewährt zu haben, oder dass Gott bei dem Anblick eines Zeichens sich des Versprechens erinnert, und vieles Andere, was entweder dichterisch dargestellt oder nach den Ansichten und Vorurtheilen des Verfassers erzählt wird. Deshalb kann man ohne Ausnahme annehmen, dass alle wirklichen, in der Bibel erzählten Ereignisse wie Alles nach Naturgesetzen geschehen sind, und findet sich etwas, was geradezu den Naturgesetzen widerstreitet oder aus ihnen nicht abzuleiten ist, so muss man annehmen, dass es von gottlosen Menschen der Bibel zugesetzt worden. Denn Alles gegen die Natur ist auch gegen die Vernunft, und was gegen die Vernunft ist, ist Unsinn und zu verwerfen.
Ich habe nunmehr nur noch Einiges über die Erklärung der Wunder zu sagen oder besser zu wiederholen, da das Wichtigste schon gesagt worden ist, und durch einige Beispiele zu erläutern, was ich zum Vierten versprochen habe. Ich thue dies, damit nicht durch eine schlechte Erklärung der Wunder man voreilig annehme, in der Bibel etwas dem natürlichen Licht Widersprechendes gefunden zu haben.
Sehr selten erzählen die Menschen einen Vorfall so einfach, wie er sich zugetragen hat, ohne etwas von sich selbst der Erzählung einzumischen; vielmehr werden sie bei dem Anblickoder beim Hören eines Neuen, wenn sie nicht gegen ihre vorgefassten Meinungen sehr auf ihrer Hut sind, meist so davon eingenommen, dass sie etwas ganz Anderes als das Gesehene oder Gehörte auffassen; insbesondere wenn der Vorfall die Fassungskraft des Erzählers oder Zuhörers übersteigt, und er für einen bestimmten Ausgang der Sache ein besonderes Interesse hat. Deshalb erzählen die Menschen in ihren Chroniken und Geschichten mehr ihre Meinungen als die vorgefallenen Dinge, und derselbe Vorgang wird von zwei Menschen mit verschiedenen Meinungen so verschieden berichtet, dass sie gar nicht von einem und demselben Fall zu sprechen scheinen, und dass man meist aus der blossen Erzählung die Meinung des Chronisten und Geschichtschreibers leicht entnehmen kann. Ich könnte dafür viele Beispiele aus Werken von Philosophen, welche über Naturgeschichte - geschrieben, und von Geschichtschreibern beibringen, wenn es nicht überflüssig wäre. Aus der Bibel will ich nur einen Fall erwähnen; über die anderen mag der Leser selbst urtheilen.
Zur Zeit Josua's glaubten die Juden, wie erwähnt, mit allen Ungebildeten, dass die Sonne sich in ihrem täglichen Laufe bewege, die Erde aber still stehe, und dieser Meinung passten sie das Wunder an, was sich ereignete, als sie gegen die fünf Könige kämpften. Sie erzählten nicht einfach, dass jener Tag länger als gewöhnlich gewesen, sondern Sonne und Mond hätten still gestanden oder in ihrem Lauf eingehalten, und dies half ihnen damals, die Heiden, welche die Sonne anbeteten, zu überzeugen, dass die Sonne unter der Macht eines andern Wesens stehe, auf dessen Wink sie ihren natürlichen Gang verändern müsse. So fassten sie theils aus religiösen Vorstellungen, theils aus vorgefassten Meinungen die Sache ganz anders auf, als sie sich zutragen musste, und erzählten sie danach.
Zur Erklärung der Wunder in der Bibel, und um aus ihren Erzählungen den wahren Vorgang herauszufinden, muss man die Meinungen der ersten Erzähler und Derer, die es niederschrieben, kennen und diese von dem unterscheiden, was die Sinne ihnen zeigen konnten. Ohnedem vermengt man diese Meinungen und Urtheile mit dem Wunder, wie es sich wirklich zugetragen hat, und dies ist auch nicht blos deshalb nöthig, sondern man kann auch nur dann die wirklichen Ereignisse von den eingebildeten, die nur in der Phantasie des Propheten ihren Sitz haben, unterscheiden. Denn in der Bibel wird Vieles als wirklich geschehen berichtet und geglaubt, was doch nur Vorstellung und Einbildung war; so dass Gott (das höchste Wesen) von dem Himmel herabgestiegen sei (Exod. XIX. 18; Deut. V. 24), und dass der Berg Sinai geraucht habe, weil Gott mit Feuer umgeben auf ihn herabgestiegen sei; dass Elias in einem feurigen Wagen und mit feurigen Pferden zum Himmel aufgestiegen sei. Dies Alles waren nur Bilder der Einbildungkraft, angepasst an die Meinungen Derer, die uns dies, so wie sie es sich vorstellten, d.h. als wirkliche Ereignisse berichten. Denn Jedermann, der
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