Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Psalm CV. 24 heisst es, Gott habe den Geist der Aegypter umgeändert, dass sie die Israeliten gehasst hätten. Auch das war eine ganz natürliche Veränderung, wie aus Exod. I. erhellt, wo der wichtige Grund erzählt wird, weshalb die Aegypter die Israeliten zu ihren Knechten machten. -Gen. IX. 13 sagt Gott dem Noah, er werde es ihm in einer Wolke geben, welche Handlung Gottes nichts Anderes ist als die Brechung und Zurückwerfung der Sonnenstrahlen, welche sie in den Wassertropfen erleiden. - In Psalm CXLVII. 18 wird jene natürliche Wirkung des Windes und der Wärme, welche den Reif und Schnee schmelzt, das Werk Gottes genannt, und in v. 15 der Wind und die Kälte der Spruch und das Wort Gottes. - In Psalm CIV. 4 heissen der Wind und das Feuer die Boten und Diener Gottes, und dergleichen findet sich noch Vieles in der Bibel, was klar ergiebt, dass Gottes Beschluss, Befehl, Spruch und Wort nur die Wirksamkeit und Ordnung der Natur bezeichnet. Deshalb hat sich unzweifelhaft alles in der Bibel Erzählte natürlich zugetragen, und dabei wird es doch auf Gott bezogen, da es, wie gesagt, nicht Sache der Bibel ist, die Dinge nach ihren natürlichen Ursachen darzulegen, sondern nur das zu erzählen, was die Einbildungskraft lange beschäftigt, und zwar in einer Weise und einem Vortrag, der mehr dahin zielt, das Staunen zu erregen und dem Geist der Menge die Gottesfurcht einzuprägen. Findet man daher in der Bibel Etwas, wovon man keinen Grund angeben kann und was neben, ja gegen die Natur sich scheinbar zugetragen hat, so darf das nicht bedenklich machen, sondern man muss die wirklichen Ereignisse für natürliche ansehen. Dies folgt auch daraus, dass bei den Wundern sich manche Nebenumstände finden, die bei deren dichterischen Darstellungen nicht immer erwähnt werden, welche klar zeigen, dass die Wunder aus natürlichen Ursachen hervorgegangen sind. So musste, als die Aegypter an dem Aussatze litten, Moses Asche in die Luft streuen (Exod. IX. 10). Auch die Heuschrecken kamen auf einen natürlichen Befehl Gottes nach Aegypten, nämlich durch einen Tag und Nacht wehenden Ostwind, und verliessen es bei einem sehr starken Westwind (Exod. X. 14, 19). Derselbe Wind, nämlich der Westwind, der die ganze Nacht stark blies, öffnete auch auf Befehl Gottes den Juden den Weg durch das Meer (Exod. XIV. 21). Damit endlich Elias den für todt gehaltenen Knaben auferweckte, musste er sich einige Male auf ihn legen, bis er warm wurde und endlich die Augen öffnete (2. Könige IV. 34, 35). So werden auch in dem Evangelium Johannis Kap. 9 einige Umstände erwähnt, die Jesus bei Heilung des Blinden benutzt hat, und so findet sich Vieles in der Bibel, was ergiebt, dass die Wunder etwas Anderes als den unbedingten Befehl Gottes, wie man sagt, erfordern. Man muss annehmen, dass wenn auch nicht alle Umstände und ihre natürlichen Ursachen, wenigstens nicht sämmtlich erzählt werden, sie doch nicht ohne solche geschehen sind; dies erhellt auch aus Exod. XIV. 27, wo erzählt wird, dass das Meer auf einen blossen Wink Mosis wieder angeschwollen sei, und des Windes nicht gedacht wird. Dennoch heisst es in dem Hohenlied (Exod. XV. 10), es sei geschehen, weil Gott mit seinem Winde (d.h. mit dem stärksten Winde) geblasen habe; dieser Umstand wird in der Erzählung nicht erwähnt, und das Wunder erscheint dadurch grösser.
Allein man behauptet vielleicht, dass sich sehr Vieles in der Bibel finde, was durch natürliche Ursachen nicht erklärt werden könne; so, dass die Sünden der Menschen und ihr Gebet Ueberschwemmungen oder Fruchtbarkeit der Erde bewirken können; dass der Glaube die Blinden heilen könne, und andere Erzählungen dieser Art in der Bibel. Allein ich glaube schon darauf geantwortet zu haben, indem ich zeigte, dass die Bibel die Dinge nicht nach ihren nächsten Ursachen schildert, sondern nur in einer solchen Ordnung und Darstellung, die die Menschen und vorzüglich die ungebildete Klasse am meisten zur Gottesfurcht bestimmen kann. Deshalb wird von Gott und den Dingen nur sehr uneigentlich geredet; sie will nicht die Vernunft überführen, sondern die Einbildungskraft und das Gefühl der Menschen erregen und beschäftigen. Wenn die Bibel den Untergang eines Reiches, so wie ein politischer Geschichtschreiber es thut, berichten wollte, so würde dies die Menge nicht rühren; wohl aber, wenn sie, wie es geschieht, Alles dichterisch ausmalt und auf Gott bezieht. Sagt also die Bibel, dass die Erde wegen der Menschen Sünden
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