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Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baruch de Spinoza
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Widerlegung. Auch will ich nicht die Ansicht Derer widerlegen, welche meinen, dass das natürliche Licht nichts Gesundes über das zum wahren Heile Gehörige lehren könne. Denn da sie selbst sich keine gesunde Vernunft zutheilen, so können sie dies auch durch Vernunft nicht beweisen, und wenn sie etwas darüber hinaus zu besitzen meinen, so ist dies reine Einbildung, welche tief unter der Vernunft steht, wie schon ihr gewöhnlicher Lebenswandel erkennen lässt. Ich brauche also hierüber nichts weiter zu sagen; nur das will ich noch bemerken, dass man Jedermann nur aus seinen Thaten erkennen kann; wer daher an Früchten Ueberfluss zeigt, d.h. an Liebe, Freudigkeit, Frieden, Langmuth, Güte, Wohlthätigkeit, Treue, Sanftmuth, Mässigkeit, für Diesen (wie Paulus in seinem Briefe an die Galater V. 22 sagt) ist das Gesetz nicht gegeben; der ist, mag er blos durch die Vernunft oder blos durch die Bibel belehrt worden sein, in Wahrheit von Gott belehrt und ein Seliger. Damit ist alles über das göttliche Gesetz zu Sagende erledigt.
     
     
Sechstes Kapitel
 
    Ueber die Wunder.
     
    So wie eine Erkenntniss, welche die menschliche Fassungskraft übersteigt, eine göttliche genannt zu werden pflegt, so wird auch ein Werk, dessen Ursache die Menge nicht einsieht, das Werk Gottes genannt. Denn die Menge glaubt, dass die Macht und Vorsehung Gottes sich dann am deutlichsten offenbare, wenn etwas Ungewöhnliches in der Natur geschieht, was gegen die gewöhnliche Meinung läuft; vorzüglich wenn es zum Gewinn und Vortheil derselben ausschlägt Sie glaubt, dass das Dasein Gottes nicht deutlicher dargelegt werden könne, als wenn die Natur ihre Regeln, wie sie meint, nicht innehält. Wenn daher Jemand die Dinge und die Wunder auf natürliche Weise zu erklären und einzusehen sucht, so meint sie, er wolle Gott selbst oder seine Vorsehung nicht anerkennen. Die Menge glaubt, Gott sei so lange unthätig, als die Natur regelmässig wirkt, und umgekehrt, die Macht der Natur und die natürlichen Kräfte seien so lange müssig, als Gott handle. Man stellt sich so zwei verschiedene Mächte vor, die Macht Gottes und die Macht der natürlichen Dinge, die nur in gewisser Weise von Gott geregelt oder, wie die Meisten heutzutage annehmen, von Gott geschaffen ist. Niemand weiss aber dabei, was sie unter diesen Mächten und was sie unter Gott und der Natur meinen; vielmehr stellt man sich die Macht Gottes wie die Herrschaft einer königlichen Majestät und die der Natur wie eine Kraft oder einen Stoss vor. Deshalb nennt die Menge die ungewohnten Werke der Natur Wunder oder Werke Gottes, und sie mag theils aus Frömmigkeit, theils aus Widerspruchsgeist gegen Die, welche die Naturwissenschaft pflegen, von den natürlichen Ursachen nichts wissen und nur das hören, was sie gar nicht versteht und deshalb am meisten anstaunt. Die Menge kann Gott nur anbeten und Alles auf seine Macht und seinen Willen beziehen, wenn sie keine natürlichen Ursachen anerkennt und die Ereignisse gegen die Natur sich vorstellt; sie glaubt die Macht Gottes dann am meisten zu bewundern, wenn sie die Macht der Natur wie von Gott unterjocht sich vorstellt. Dies scheint von den ersten Juden sich herzuschreiben, welche die Heiden ihrer Zeit, die die sichtbaren Götter, wie Sonne, Mond, die Erde, das Wasser, die Luft anbeteten, widerlegen, und ihnen zeigen wollten, dass ihre Götter schwach und wankelmüthig wären und unter der Herrschaft des unsichtbaren Gottes ständen. Deshalb erzählten sie seine Wunder, aus denen hervorgehen sollte, dass die ganze Natur auf ihres angebeteten Gottes Geheiss nur zu ihrem Vortheil regiert werde. Dies gefiel den Menschen so gut, dass man seitdem bis jetzt nicht aufgehört hat, Wunder zu erdichten, um dadurch als die Lieblinge Gottes und als das Endziel, weshalb Gott Alles geschaffen und erhalten habe, zu gelten. So erlaubt sich die Thorheit der Menge Alles, ohne doch von Gott und der Natur einen gesunden Begriff zu haben; sie vermengt die Beschlüsse Gottes mit menschlichen und stellt sich die Natur so beschränkt vor, dass ihr der Mensch als der vornehmste Theil erscheint.
     
    Damit habe ich die Meinungen und Vorurtheile der Menge Über die Natur und die Wunder hinreichend dargelegt; um indess die Frage gründlich zu erschöpfen, werde ich zeigen: 1) dass Nichts sich gegen die Natur ereignet, sondern dass sie eine feste und unveränderliche Ordnung innehält, und zugleich, was unter Wunder zu verstehen ist; 2) dass durch die Wunder weder

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