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Theorie der Unbildung: Die Irrtümer der Wissensgesellschaft (German Edition)

Theorie der Unbildung: Die Irrtümer der Wissensgesellschaft (German Edition)

Titel: Theorie der Unbildung: Die Irrtümer der Wissensgesellschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Paul Liessmann
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lediglich ein brain , das schneller industrielle Anwendungsmöglichkeiten komplexer Forschungen erkennt als die Konkurrenz in Schanghai.
    Was im modernen Wissensmanagement überhaupt gemanagt wird, ist allerdings unklar. Während die naiven Vertreter dieser modischen Wachstumsbranche offenbar glauben, daß Wissen eine Ressource ist, die man im Rahmen eines Unternehmens optimieren, verteilen, bündeln, importieren, exportieren und teilen kann wie andere Rohstoffe und Verfahren auch, dämmert bei anderen die Einsicht, daß man weniger Wissen als bestenfalls Menschen, die etwas wissen, managen kann. 70 Bemerkenswert ist immerhin der dezidierte Ton, in dem die Managementlehre sich über das Wissen hermacht: Die begnadete Führungskraft, die in einem Unternehmen die »Gesamtorganisation für die Bedeutung der Ressource Wissen zu sensibilisieren und zu mobilisieren« hat, darf sich dann auch der angelsächsischen Unternehmenskultur entsprechend Chief Knowledge Officer nennen 71 und sich wenigstens mit ihren Initialen in die Nähe ihres CEO, ihres Chief Executive Officer, stellen. Die Attraktivität solcher Funktionsbezeichnungen ist so unwiderstehlich, daß manche alterwürdige Universität dazu übergeht, für alle möglichen und unmöglichen Aufgaben »Stabsstellen« einzurichten, was zumindest den Vorteil der Klarheit hat: Das Wissen soll kommandiert werden.
    Ansonsten bietet die Theorie des Wissensmanagements wie auch viele ähnliche Konzepte nicht viel mehr als den Alltagsverstand in der hochtrabenden Sprache der Unternehmensberatung. Die jedem Proseminaristen bekannten Methoden der Recherche, Auswahl, Strukturierung, Verknüpfung und Darstellung von Informationen werden zu strategischen Unternehmensaufgaben hochstilisiert, die offenbar nur durch einen organisatorischen Aufwand bewältigt werden können, der die ketzerische Frage aufzwingt, wieso die entscheidenden Erkenntnisfortschritte der Menschheit in Epochen errungen worden sind, die von Wissensmanagement keine Ahnung hatten.
    Immerhin wird dabei darauf aufmerksam gemacht, daß das Wissen in einem Unternehmen nur dann produktiv zirkulieren kann, wenn es in Form »hirngerechter Dokumente« in Umlauf gebracht wird. Ein schlecht geschriebener, fortlaufender Text gilt natürlich als Paradebeispiel einer »nichthirngerechten Dokumentations-Architektur«, während die Verknappung des Textes und seine Anreicherung mit Schlagworten, Symbolen, Graphiken und Tabellen, die alle auf eine schöne Power-Point -Folie passen, zum Inbegriff eines »hirngerechten« Dokuments avancieren. Visualisierung ist das Zauberwort, und Clickable Knowledge Maps sind der Inbegriff des gemanagten Wissens. 72
    Wie Wissen heute präsentiert wird, kann auch als Hinweis für die zunehmende Verachtung des Wissens gelesen werden. Die Unsitte, die nicht nur bei Präsentationen in Unternehmen, sondern zunehmend auch bei wissenschaftlichen Symposien und an Universitäten zu beobachten ist, einfache Sätze und schwülstige Begriffe über Power-Point zu projizieren und diese dann einfach abzulesen, stellt eine Verachtung der Zuhörerschaft dar und einen vollkommenen Verlust dessen, was man einstens Vortragskultur nannte. Kommen dann die beliebten Balken- und Tortendiagramme hinzu – egal, um welches Thema es sich handelt –, darf man ziemlich sicher sein, daß mit dieser Visualisierung alles mögliche intendiert sein mag, sicher aber kein Bild der wirklichen Verhältnisse gegeben wird.
    Überhaupt läßt sich bei derartigen Gelegenheiten ein generelles Mißverhältniß zwischen dem technischen und medialen Aufwand und dem geistigen Gehalt des Gebotenen konstatieren. Dort, wo alles glitzert und funkelt, Videobeamer, Screens und Laptops die Szene beherrschen, multimedial agiert und künstlerisch interveniert wird, ist es tatsächlich besser, nicht mehr zuzuhören. Nicht nur, daß die Dominanz der Technik die Worte überdeckt, sie erlaubt auch keine wirklichen Gedanken mehr. Es gibt Präsentationsformen – und die hirngerechten Dokumente gehören dazu –, die Denken nahezu unmöglich machen. Formuliert werden nur mehr Überschriften und Parolen, alle Möglichkeiten, Sätzen eine logische und damit argumentierende Struktur zu verleihen, werden gekappt. Dennoch sind die Protagonisten solcher Shows überzeugt davon, es handle sich dabei um Wissen und seine Vermittlung.
    Wenn Unternehmen Geld in solche Konzepte stecken, ist das ihre Sache. Fragwürdig wird die Vorstellung vom verwalteten Wissen dann, wenn

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