Theres
vergewissert, dass der Wagen ordentlich abgeschlossen war, und bist mit der U -Bahn heimgefahren.
Die üblichen Schuldgefühle. Wollen, aber nichts zustande bringen. Wäre es leichter gewesen, wenn du schon damals verstanden hättest, was du jetzt weißt: dass es darum geht, sich für eine Seite zu entscheiden? Solidarität oder Profit und Eigeninteresse? Was den Profit angeht, konnten Herr Springer und Herr Röhl sich wohl die Hand reichen? – ( Aber ich habe das damals nicht so gesehen. ) Zwei Wochen später: ein Pflaster auf der Schuldwunde. Die Einbestellung zur Polizeibehörde. Vernehmung. Dann die Mitteilung, dass Anklage wegen »Landfriedensbruchs« und »gemeingefährlicher Sachbeschädigung« erhoben werde. Zu ihrem Glück: Die Polizei hatte routinegemäß die Kennzeichen aller Fahrzeuge notiert, die nach ihrer Meinung am Bau der »Springer-Barrikade« beteiligt waren, und so war auch ihr falsch geparkter Renault auf die Liste geraten. Sie war schließlich die Meinhof . Kaum vorstellbar, dass sie Ereignisse dieser Größe mit ansah, ohne sich daran zu beteiligen. ( Oder wie, Ulrike? ) Wütende Aggressivität, die keinen Auslauf findet:
Du wusstest, dass du gekauft warst. Du hast es akzeptiert.
Warum?
Weil du deine faschistische Erziehung noch nicht abgelegt hast.
Weil du den Kapitalhaien auch da noch beharrlich den Hintern geleckt hast?
Weil du für alle Zeit IHRE HURE bist, sein willst und bleibst!
Und wie immer, damit es überhaupt möglich sein würde, am nächsten Morgen aufzustehen und die Kinder zur Schule zu fahren, wendet sie die Anklagen nach außen. Ulrike denkt: RÖHL ; sie denkt: Diesem Teufel eins auswischen. (Doch auch: Ausdauernd und stark zu sein; ihre Zeit abzuwarten … )
Hausfriedensbruch
NEUE ANGABEN ÜBER DIE ZUSAMMENROTTUNGEN IN HAMBURG
(Bonn, dpa, Reuters)
Vor gut einer Woche, am 7. Mai 1969, wurde bekanntermaßen der Versuch unternommen, die Räume der Zeitschrift konkret am Gänsemarkt im Zentrum von Hamburg zu stürmen. Unter den Aufwieglern, die Berlin bereits in der Nacht zuvor um 1.00 Uhr in einem Konvoi von Autos und Minibussen verlassen hatten, befand sich unter anderen ASTRID PROLL , die Schwester des für die Brandstiftung in Frankfurt verurteilten THORWALD PROLL , sowie BERNWARD VESPER , früherer Verlobter der ebenfalls für die Brandstiftung verurteilten GUDRUN ENSSLIN . (Beide sitzen seit einem guten halben Jahr ihre Strafe in Frankfurt ab.) Nach einem anonymen Tipp war die Polizei jedoch rechtzeitig zur Stelle; und es gelang ihr, die Demonstranten am Einbruch in die Räume zu hindern. ULRIKE MEINHOF , ehemals mit KLAUS RAINER RÖHL , dem Chefredakteur der konkret, verheiratet, traf gegen elf Uhr am Ort ein. Gemäß übereinstimmender Zeugenaussagen soll sie die Demonstranten aufgefordert haben, sich stattdessen zu Röhls Villa in Blankenese zu begeben, einem noblen Vorort der Stadt, mit der Begründung, sie »habe Informationen, dass Röhl verreist sei«. Röhl zufolge, der das Vorkommnis im Nachhinein gegenüber den beiden Spiegel-Journalisten kommentierte, die auf Einladung den Konvoi begleitet hatten, war es jedoch Bernward Vesper, der als Erster in die Villa einbrach und die anderen anführte. Die Zerstörung war umfassend. Unter anderemwurden Möbel aus den Fenstern geworfen, und Röhls Schlafzimmer wurde stark verwüstet.
*
So hast du am Ende deine Rache bekommen. Ist das ein gutes Gefühl, Ulrike?
Du sagst, es sei von mir simple RACHE , nennst mich sogar BÖSE . (Mag sein, dass du es nie offen aussprechen würdest. Da ziehst du es lieber vor, den Traurigen und Gekränkten zu spielen und vor der faschistischen Presse dein Herz zu erleichtern über die Ulrike, »die du zu kennen glaubtest«.) Bedenke bitte folgendes, Klaus: Die Aktion ist nicht PERSÖNLICH GEGEN DICH GERICHTET . Die Aktion ist Teil einer KOLLEKTIVEN STRATEGIE gegen DICH UND DEIN ONANIERINSTRUMENT VON ZEITSCHRIFT .
Ziel: EUCH GIFT IN DEN BECHER ZU MISCHEN, EUCH DEN TANZ ZU VERDERBEN . Damit du und deine gedungenen Instrumente der Konterrevolution begreifen: dass IHR hinter den Stacheldrahtzäunen sitzt, während WIR , die du und dein Anhang verachten, als Einzige verstanden haben, die WIRKLICHE FREIHEIT zu realisieren.
Das bist nicht du, die jetzt spricht, Ulrike. Es ist jemand anders, der durch dich spricht.
Genau, Kläuschen. Ich glaube tatsächlich, dass du langsam begreifst.
Gruppenporträt
mit Baader
(Verbrechergalerie. Frei nach da Vincis »Nachtmahl«)
ANDREAS BAADER im
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