Theres

einen Nutzen an Journalisten, die kaum richtig schreiben können?
    IV . Resignieren: Im April 1969, in einem Artikel der Frankfurter Rundschau, kündigt sie öffentlich jede weitere Mitarbeit an der Zeitungauf. Der Schlagzeile Ist »konkret« noch zu retten? wird vom Inhalt des Textes widersprochen:
    Ich stelle meine Mitarbeit jetzt ein, weil das Blatt im Begriff ist, ein Instrument der Konterrevolution zu werden … Ich gebe den Kampf um die Zeitung auf, um folgender Gefahr vorzubeugen, dass wir durch unsere Mitarbeit das Links-Image der Zeitung aufpolieren, ihr einen neuen Vertrauenskredit verschaffen. Eine Zeitung, die, wenn wir sie brauchen werden, sich gegen uns wenden wird. Mit einer Auflage, der wir dann nichts entgegenzusetzen haben werden als unsere Verzweiflung und unser Entsetzen über den Gebrauch des Instrumentes, das wir aufgebaut haben …
    Eine nutzlose Geste; Klaus betrauert eine seiner wertvollsten Mitarbeiterinnen, das wichtigste Aushängeschild für seine Legitimität und seine frühere Ehefrau (Die Telefonanrufe nehmen jetzt zu: Wie geht es den Kindern …? ); aber die Bedrohung seiner Zeitung scheint vorübergehend beseitigt.
    *
    Was also bleibt? Baader hätte gesagt: Der harte Kern der Wirklichkeit. Sie selbst nimmt eine defensivere Haltung ein. In einer Situation, in der das Kapital seine Positionen unerbittlich vorantreibt, gibt es keinen anderen Ausweg, als seine Hoffnung auf diejenigen zu setzen, die die Gesellschaft bereits verwiesen und verstoßen hat. Die Verdammten dieser Erde : Auch in der Bundesrepublik gibt es genügend Zweigstellen für sie. Ulrike sucht überall in Deutschland Erziehungsheime für Kinder und Jugendliche auf und sieht die Gesellschaft in Miniatur (dieselben Unterdrückungsmechanismen wie überall im deutschen Gesellschaftskörper, hier jedoch so klar und deutlich, dass sie sich studieren lassen). Hört aber auch den Mädchen zu, ihren Geschichten von trinkenden Müttern, von Vätern (nicht selten Soldaten der amerikanischen Besatzungsarmee), die nicht davor zurückschrecken, sich an ihren Kindern zu vergreifen, vom zerbrochenen Zuhause; denkt: Ihre Geschichte ist wie meine, wenn meine wirklich gewesen wäre. Und in die Münder dieser jungen Frauen legt sie die Worte, die sie selbst noch nicht zu äußernwagt, BAMBULE – das Wort für »Trotz«, »Aufwieglung«, »Revolte«; das Schlagwort des Tages: MACHT KAPUTT, WAS EUCH KAPUTT MACHT – wir setzen uns nicht hin, nur weil sie es sagen; wir haben unsere Würde und sind bereit, sie mit allen Mitteln zu verteidigen: Worte, notiert in Tagebüchern, geschrieben an Anstaltswände und öffentliche Toiletten, skandiert im Chor von Tausenden junger, elternloser Frauen, die sich den Luxus nicht gönnen können, auf Rolling-Stones-Konzerten in Ohnmacht zu fallen, weil sie nie in der Lage gewesen wären, sich Eintrittskarten zu kaufen, und sollten sie es wider erwarten doch sein, hätte man sie bereits am Eingang verjagt. Die Paria der Gesellschaft: zugleich deren einziges tragfähiges Gegenbild: Die Schicht im Schatten, in der die Wirklichkeit heraufbeschworen wird.
    Jeder Kamerad, dem die bürgerliche Unordnung zum Halse heraushängt, muss sich die Frage stellen, ob er nicht mehr aus seinem Leben macht, wenn er endlich aus dem Ghetto ausbricht und die Mauern niederreißt, selbst wenn seine statistisch zu erwartende Lebenslänge dadurch verkürzt würde.
    Sie appellieren an uns, wir mögen uns kraft unserer Vernunft besinnen. Doch in dem Fall ist das eine uns von ihnen eingepflanzte Vernunft. Für diejenigen, die am Boden der Gesellschaft leben, gibt es nur eine Regel: BRECHT MIT DENEN, DIE EUCH VERSKLAVEN , und ein einziges Gesetz: WO GEWALT HERRSCHT, IST GEWALT DIE EINZIGE ANTWORT .
    Neuer alarmierender Bericht am Morgen:
    GEFÜGIGKEIT KANN KREBS VERURSACHEN !
    Es gibt nur ein einziges Problem. Sie sind dort (hinter Mauern), sie selbst (noch immer) hier: frei; sich zwischen den Salons der oberen Gesellschaftskreise und den Gefängnishöfen zu bewegen. Sie haben kaum das Geld, um sich, wenn sie es wollten, eine Schachtel Zigaretten zu kaufen; während sie selbst im Gegenzug einen fetten Vertrag mit dem Südwestfunk eingeheimst hat, der sie ein Einkommen erzielen lässt, umdas selbst Klaus sie beneiden würde. Indem sie als Schmarotzer an ihnen fungiert? Ob beabsichtigt oder nicht, die Sticheleien sind nicht zu überhören; sie sind tief verletzend, besonders wenn sie von den »eigenen« Leuten kommen, wie zuletzt am