Theres
aufgesprungen, verdeckt den Bildschirm, als er höhnisch in Meinhofs Richtung faucht:
Diese Frau kann offenbar überhaupt nichts richtig machen.
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(F) Festnahme. Nach Erhalt eines anonymen Hinweises klingelt die Polizei an einer Wohnung in der Knesebeckstraße 89 , zugehörig einem gewissen Hübner . Eine junge Frau öffnet. Die Polizei fragt, ob man die Ehre habe, möglicherweise mit Frau Hübner zu sprechen, und wenn das der Fall sei, wo sich ihr Gatte aufhalte. Nicht zu Hause, antwortet Frau Hübner, die bei einer raschen Identitätskontrolle eine auffallende Ähnlichkeit mit einer gewissen Irene Goergens (20) aufweist. Die Polizei begibt sich uneingeladen in die Wohnung. Und man findet eine veritable Wunderkammer vor, bestehend aus Waffen verschiedensten Kalibers, diverse Chemikalien und brennbare Flüssigkeiten; Autokennzeichen, hintereinander aufgereiht an den Fußbodenleisten und zu guter Letzt: eine imposante Ansammlung von Toupets und Perücken verschiedenster Farbe und Form. Die Polizisten in der Wohnung erhalten Verstärkung durch Fotografen und Beamte des Erkennungsdienstes, und gegen 18.00 Uhr taucht »Herr Hübner« auf. Herr Hübner widersetzt sich der Festnahme nicht, gibt seine Waffe mit der einen Hand ab, während er mit der anderen das Toupet vom Kopf fegt. Aus Herrn Hübner wird ein gewisser Mahler, Horst : ein Rechtsanwalt,der zuvor als »im Urlaub« gemeldet war. Mahler: Kompliment meine Herren; das kann nicht leicht gewesen sein.
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(Nachfeier wird zur Trauerfeier)
Im Hauptquartier (das aufgrund der Umstände jetzt in eine andere Berliner Wohnung verlegt ist) leitet Ensslin die notwendige Selbstprüfung der Gruppe:
Unser großer Fehler, die Erklärung für unsere Verletzbarkeit und die eigentliche Ursache, warum Horst gefasst werden konnte, ist die, dass unsere Kräfte viel zu zentriert sind. Wir müssen uns verteilen, uns voneinander unabhängig machen; zwar übereinstimmend, aber auch selbständig agieren. Andreas wird jetzt einen Plan erstellen, wie die neue Organisationsform der Stadtguerilla aussehen soll.
Unter den Zuhörern: Meinhof , Schelm , Grashof , Asdonk , Bäcker und Berberich . Letztgenannte die engste Hinterbliebene. Erstgenannte, die Meinhof , hört mit schwer erkämpfter Aufmerksamkeit zu, während sie zugleich denkt:
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( K ) Kinder. Sie sind da. Sie leben – und spielen – im selben Alltäglichkeitsraum wie diesem hier. Dennoch ist es, als befänden sie sich hinter einer Wand. Die Wand ist dünn, wie Papier zerreißbar; dennoch unmöglich zu durchdringen. Was denken sie wohl über mich, die sich hier, auf der anderen Seite befindet; was für Geschichten bekommen sie über mich zu hören, über uns?
MEINHOF (meldet sich zu Wort): Ich schlage vor, dass eine Kommandozentrale in Hamburg eingerichtet wird und dass ich …
BAADER (unterbricht sie): Du, meine Liebe, fährst nirgendwohin!
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Ulrike. Wenn du willst, dass es dir schlechtgeht.
Nein, Gudrun. Ich will nicht, dass es mir schlechtgeht.
Man sollte aber dennoch meinen, wenn du die Kampfgemeinschaft verlassen willst …
Ich will die Kampfgemeinschaft nicht verlassen.
… dann wäre es ehrlicher gewesen, wenn du gesagt hättest, wie es steht. Von Anfang an. Bekannt hättest. Dass du drauf und dran bist, sauber zu werden, dass du der Aufgabe nicht gewachsen bist.
Nicht so wie du, mit anderen Worten.
Dass du keine Kritik verträgst. Dass du keine Abbitte leisten kannst, dass du deine Fehler und Mängel nicht zugeben kannst.
Was für Fehler?
Wir alle müssen Selbstkritik üben.
Der Einzige, von dem du Kritik erträgst, ist Andreas.
Andreas steht für die Moral des Metropolenproletariats. Er ist …
Deshalb ist er doch kein Gegenstand hysterischer Verehrung. Wir müssen zu einer Phase kommen, in der wir eine ideologische Diskussion führen
können, über die Bedingungen dessen, was wir tun.
Aber Ulrike, hast du noch immer nichts gelernt? Die Ideologie ist, was wir tun, nichts anderes als das; die reine Praxis. Und wer du bistoder eventuell sein willst, ist dem total untergeordnet. Du bist hier nicht du selbst; keiner von uns ist das. Du, wie wir, sind eine Funktion in einer Struktur, und dein Wert wird ausschließlich daran gemessen, in welchem Umfang du diese Funktion auszufüllen vermagst.
Der Beschluss ist, was dich angeht, bereits gefasst.
Was für ein Beschluss?
Schau bei Marighella unter Punkt (U) nach: Unterkunft. Für uns Wohnungen zu beschaffen, das beherrschst du wenigstens gut, und wir
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