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Theres

Theres

Titel: Theres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Sem-Sandberg
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was dem revolutionären Kampf dient.
    *
    Vierte Lektion (»Gefangenschaft«): Wer sich einmal aus freien Stücken hat einsperren lassen, wird nie mehr frei sein.

Praxis

    Siehe weiter im Programm unter Punkt …
    (T) Transportmittel. Wieder in Berlin, zieht Ulrike ein bisschen lustlos an der Tür eines geparkten Mercedes. Zu ihrem Erstaunen steht sie mit offener Autotür da. Schließt sie wieder, geht zur nächsten Telefonzelle und ruft an: Hier steht ein Benz, kein Besitzer, soweit ich sehen kann; wie machte man das jetzt, wenn … (Die Stimme am anderen Ende kann ihre Ungeduld kaum zügeln: Verlass den Ort so ruhig und vorsichtig wie möglich; und vor allem: FASS NICHTS AN ; wir schicken Kalle … ) Ein paar Wochen zuvor, im August, hat der Automechaniker Karl-Heinz Ruhland Besuch von zwei Herren erhalten. Der eine mit schwarzer Sonnenbrille, der andere mit Toupet, einen Bergarbeiterhelm unterm Arm. Leises Erstaunen: Wenn der Helm dazu dienen soll, das Toupet zu verdecken, wieso dann dieses Bedürfnis nach doppelter Maskierung? ( Hör mal, Kalle: Wir brauchen Autos. Die kann man entweder klauen oder mieten und nicht zurückgeben. In beiden Fällen müssen die Wagen umfrisiert werden. Kannst du eine solche Arbeit übernehmen? Und als Kalle zögert, sagt der Mann mit der Sonnenbrille: Wir haben gehört, du hast finanzielle Probleme; natürlich gibt es in dieser Frisierbranche auch Geld zu holen … ) Fünfundvierzig Minuten nachdem Ulrike aufgelegt und die Telefonzelle verlassen hat, taucht Karl-Heinz Ruhland an dem Ort auf. Er trägt einen Overall mit der Aufschrift ARAL AUTO CENTER BERLIN auf dem Rücken, weshalb keiner der zahlreichen Passanten misstrauisch wird, als er die Motorhaube öffnet und sich hinunterbeugt; dann setzt er sich hinters Steuer und fährt davon.
    ( W ) Waffen. Derselbe Mercedes steht dann, schwarz »umfrisiert«, in Kreuzberg vor der Gaststätte Wolfsschanze , während dessen neuer Besitzeran der Bar wartet; mit den Bügeln der Sonnenbrille trommelt er den Takt zur Musik ( Walking back to happiness, whopaa, oh yeah, oh yeah ), die aus den Lautsprechern dröhnt. Der Wirt taucht auf, und das Trommeln endet. Teddy, diesmal brauchen wir keine Berettas mit unauffälligen Schalldämpfern, sondern handfestes Zeug: mindestens sechs Automatikgewehre, Kalaschnikows, einige AK - 47 oder was du sonst so hast. Teddy: Das kostet. Der Mann (setzt die Sonnenbrille auf ): Geld kommt, wenn wir erst Zugang zu Waffen haben, da kannst du sicher sein …
    (G) Geld. Am 29. September erfolgen gleich drei Überfälle auf zentral gelegene Berliner Banken. Ulrike M. nimmt an dem Anschlag auf die Sparkasse in der Altonaer Straße teil. Sie tut, was man sie gelehrt hat: zieht die Maske vors Gesicht und stürmt hinein, die Maschinenpistole auf die Kassen gerichtet. Noch einen Augenblick zuvor hat sie im Stillen wiederholt, was sie zu den Frauen hinter dem Schalter sagen will: Was regt ihr euch auf, es trifft doch keinen Armen … Doch eine Bankfiliale mitten beim Überfall ist kaum der richtige Ort für ideologische Diskussionen: die Frauen flüchten, und Ulrike rafft alles, was sie zu fassen bekommt, zusammen und zieht dann, die Waffe stilgerecht erhoben, wieder ab.
    *
    (Aftershow-Party, zur Feier des Sieges bei dem »Dreierschlag«)
    Im lokalen Kommandobüro in der Kurfürstenstraße versammelt sich die gesamte Gruppe vor dem Fernseher, »wie die Kleinfamilie am Samstagabend« ( Petra Schelm ). Die Initiative geht von Mahler aus. Da er diese Anschläge konzipiert hat, ist er neugierig, wie man das auslegen wird. Die Nachricht wird groß aufgezogen:
    Am frühen Morgen fanden bewaffnete Überfälle auf drei Banken im zentralen Berlin statt: auf die Berliner Bank in der Rheinstraße und auf die Sparkassen am Südwestkorso und in der Altonaer Straße. Beim Überfall auf die Zweigstelle der Berliner Bank fielen den Tätern mehr als150.000 Mark in Geldscheinen in die Hände, bevor sie in einem bisher nicht identifizierten Auto flüchten konnten. Bei dem Anschlag auf die Sparkasse in der Altonaer Straße fiel die Beute bedeutend geringer aus. Lediglich 10.000 Mark bekamen die Täter zu fassen, obwohl sich in der Kasse noch schätzungsweise 200.000 Mark in ungezählten Scheinen befanden. Aufgrund dieses Umstandes hält es die Polizei für wahrscheinlich, dass die Täter keine routinierten Verbrecher sind, und die Überfälle werden daher, noch unbestätigten Quellen zufolge, im Zusammenhang gesehen mit …
    Baader war wütend

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