Theres
Baader zu Homann. So what do you want me to do about it ?
Baader (bereits auf dem Rückweg): Shoot him!
Da muss Ulrike dazwischengehen, demütigende Töne anschlagen (Nein, Andreas, er hat es nicht so schlimm gemeint; lass ihn in Ruhe, morgen wird er sich bessern) , und gibt Baader damit die Möglichkeit, sie von sich abzuschütteln, wie man sich einer übelriechenden Decke entledigt, die einem jemand über die Schultern geworfen hat.
*
(Nächtliche Gespräche in der Baracke)
PH : Ich bleibe keinen Tag länger hier.
UM : Du bleibst, bis man dir befiehlt zu fahren.
PH : Ich begreife nicht, wie ausgerechnet du es ertragen kannst, dich auf solche Weise demütigen zu lassen.
UM : Er hat meine Kinder.
PH : Er hat …
UM : Er weiß, wo sie sind, und der bloße Gedanke daran, dass er ihnen irgendwie Schaden zufügen könnte …
PH : Aber das ist doch absurd.
*
Ulrike redet mit Gudrun. Gudrun verspricht, wie sie es ausdrückt, zu bitten und zu betteln . Am Tag darauf wird Homann von bewaffneten El Fatah -Soldaten aus dem Lager eskortiert. Das, was Ulrike weiß, ist Baader so schnell noch nicht einmal eingefallen: Dass sich Homann sofort nach seiner Ankunft in Amman zum erstbesten deutschen Militärattaché begeben wird (oder in Ermangelung eines solchen: zu einem französischen oder britischen). Was in Bezug auf sie, Andreas oder Gudrun nichts nach sich ziehen muss; aber in Bezug auf die Kinder …?
Die erste Lektion (»Loyalität«): Lerne, dass du nicht einmal denen vertrauen kannst, für die du bereitwillig dein Leben opfern würdest.
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(Baader tanzt)
– knipst mit den Fingern, wirft die Beine hin und her, so dass die dünne Samthose im Schritt spannt, wo ein anderer Skorpion ruht; mild ist dessen Gift (Ensslin): für alle, die ihn jemals in Bewegung gesehen haben, ein furchterregender Anblick …
Du willst wohl deine Kinder wiedersehen, Ulrike?
Na bitte. Hab ich doch gewusst. Du hast also die Wahl: Du kannst das Lager morgen verlassen, aber dann können wir, was deine Kinder angeht, keine Garantien abgeben. Oder du bleibst, und dann liegt esin deinem, meinem und unser aller Interesse, dass sie gut zurechtkommen.
Zweite Lektion (»Schutzlosigkeit«): Die Wüste ist so beschaffen, dass man sich, sagen wir einen, höchstens zwei Kilometer vom Lager entfernen kann: dann ist man im Nirgendwo. Die Lichter vom Lager sind das Einzige, was es gibt. Also kehrt man dahin zurück.
*
(Die Geschichte mit den Kindern: Fortsetzung)
Im September kommt dann die Nachricht, dass die Kinder nach Deutschland zurückgebracht worden sind. ( Zu diesem Zeitpunkt befinden sich auch die Mitglieder der Gruppe in Deutschland. ) Was dahintersteckt, ist nicht schwer in Erfahrung zu bringen: Homann ist zu Aust gegangen, und Aust – das Schwein! – zu Klaus. Klaus hat seine Beziehungen in den Berliner Studentenkreisen genutzt, um zwei Dinge zu ermitteln: (1.) wo sich die Kinder befinden und (2.) welches Codewort Baader ihren Beschützern genannt hat, für den Fall, dass es sich als notwendig erweisen sollte, sie außer Landes zu schaffen. Aust reist nach Taormina, nennt das Codewort. Das Paar, das die Kinder beaufsichtigt, weiß nicht, wessen Interesse der Mann vertritt. Im Glauben, dass sie gemäß der erhaltenen Anweisung handeln, geben sie die Kinder bereitwillig heraus, und dann braucht Klaus nur nach Rom zu kommen und sie abzuholen.
Baaders Reaktion: Ich bringe den Scheißkerl um! Homann meinend.
Ulrikes Reaktion: Angst. (Sie weiß zu diesem Zeitpunkt, dass Baader nicht zögert, seine Drohungen in die Tat umzusetzen, wenn er weiß, dass sie seinen Interessen dienen; und wenn Homann oder Klaus zu Schaden kommen: Welche Gefahr laufen dann die Kinder …? )
Dritte Lektion (»Abhängigkeit«): Wie handelst du, wenn du weißt, dass jeder Beschluss, den du fasst oder zu fassen unterlässt, Leben undGesundheit anderer Menschen beeinflusst? Kannst du in einer solchen Situation überhaupt handeln?
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(Ensslin nimmt sie zu einem »schwesterlichen Gespräch« beiseite)
Ich will nicht, dass du deine Kinder vergessen sollst, Ulrike. Aber du musst lernen, strategisch zu denken. Im Moment können wir nichts tun, um sie zu befreien. Du kannst hingegen im Augenblick eine Menge tun, damit eine Situation entsteht, die es uns ermöglicht, sie bald freizubekommen.
Und Andreas …?
Er handelt manchmal ein bisschen wild und überstürzt. Aber du darfst nicht vergessen, dass das Ziel seiner Anstrengungen das Wohl der Gruppe ist und all das,
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