Thomas' Entscheidung (Scanguards Vampire - Buch 8)
Schweigens.
Der Mann hinter dem mit verblichenem Linoleum belegten Kassentresen war nicht Al und auch nicht einer von Als Angestellten. Er war ein Vampir, doch Thomas war ihm noch nie zuvor begegnet. Hatte Al jemanden neuen eingestellt? Das wäre sehr untypisch für ihn. Al hasste Veränderungen und hatte schon seit Jahren keinen neuen Mitarbeiter mehr eingestellt. Die meiste Zeit arbeitete er allein.
Der Vampir nickte ihm zu. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte er barsch.
Thomas verringerte den Abstand zwischen sich und der Theke und ließ sich seine Verwunderung nicht anmerken. „Ja. Ist Al da?“
Der Vampir schüttelte den Kopf. „Nein!“
„Ist er bald wieder da?“
„Nein!“
Bei der zweiten einsilbigen Antwort knirschte Thomas mit den Zähnen und zwang sich, seinen Unterkiefer zu entspannen, damit er nicht feindselig klang. „Wann dann?“
„Er kommt nicht wieder.“
„Warum nicht?“
„Hat den Laden verkauft.“
Die Nachricht überraschte ihn. Al hatte nie erwähnt, dass er die Absicht hatte, das Geschäft zu verkaufen. Zu verkaufen bedeutete eine Veränderung, und außer einen Pflock durchs Herz zu bekommen und die aufgehende Sonne auf den Fersen zu haben, hasste Al nichts mehr als Veränderung.
Thomas musterte den anderen Vampir jetzt genauer. Er hatte nichts Außergewöhnliches an sich. Er sah weder sehr mächtig noch sehr klug aus. Tatsächlich ließen ihn sein Sprachmuster und seine Körperhaltung eher wie einen Hinterwäldler aussehen. Wie ein Vampir aus einer Wohnanhängersiedlung, wenn ihn jemand fragte. Der Typ von Mann, aus dem nie etwas werden würde.
„Wann hat er den Laden verkauft?“
Der Typ zuckte mit den Schultern. „Letzte Woche.“
„An wen?“
Der Vampir prustete sich auf. „An mich.“
Thomas hielt seine Zunge im Zaum, sodass die nächsten Worte nicht über seine Lippen kamen. Niemals im Leben hätte Al dem Kerl hinter der Theke seinen Laden verkauft. Irgendetwas war hier faul. Aber Thomas war klug genug um zu wissen, dass eine weitere Befragung nur Feindseligkeit in dem Kerl hervorrufen würde. Wenn er erst mit ihm ins Geschäft gekommen war, konnte er vielleicht mehr herausfinden.
„Naja, in diesem Fall wende ich mich besser an Sie.“ Thomas zog ein Stück Papier aus seiner Lederjacke und entfaltete es. Er breitete die Kopie einer alten Zeitschrift vor dem Mann aus und zeigte mit dem Finger auf eine Stelle der Zeichnung. „Ich brauche dieses Teil hier für den vorderen Hauptbremszylinder. Es ist ein 1956er Modell. In Deutschland hergestellt.“
Der Vampir blickte nur kurz auf den Zettel. Dann winkte er in Richtung der Regale. „Wenn wir es haben, ist es auf einem der Regale. Sie finden es genauso schnell wie ich.“ Sein gelangweilter Blick sprach Bände.
Thomas schüttelte den Kopf. „Es wird auf keinem der Regale sein. Es ist ein 1956er Modell. Niemand hat das auf Lager.“
„Dann haben wir es nicht.“
Thomas stieß einen genervten Atemzug aus. „Das wusste ich schon. Deshalb bin ich ja hier. Damit Sie eins für mich finden können.“
„Und wie soll ich das tun? Es mir aus den Fingernägeln saugen?“
„Das nennt sich Sonderauftrag. Sie müssen doch Kontakte zu Lieferanten haben, die Spezialaufträge ausführen.“
Der neue Eigentümer von Als Motorradersatzteilen verschränkte die Arme vor der Brust. „Wir machen keine speziellen Aufträge. Wenn Sie’s hier nicht finden, dann müssen Sie eben wo anders hingehen.“
Thomas kniff die Augen zusammen und beugte sich über die Theke. „Das ist Ihr verdammter Job!“
Der andere Vampir rückte näher. „Ich bestimme, was mein Job ist. Und es ist ganz sicher nicht, Handlanger für Leute wie Sie zu spielen! Ich bin kein Lakai! Haben Sie das kapiert?“ Er ließ seine Fänge aufblitzen.
Thomas kniff die Zähne zusammen und nahm sein Blatt Papier und faltete es langsam und bedächtig, während er seinen Zorn unterdrückte. Es wäre so einfach, den Kerl mit einem pulsierenden Blitz von Gedankenkontrolle umzubringen, so einfach und doch so befriedigend. In seinem Inneren bekämpften sich seine zwei Seiten und rangen um Vorherrschaft. Beide Seiten waren fast gleich stark. Seine Brust hob sich von der Anstrengung, die es ihn kostete, nichts von seinem inneren Kampf nach außen zeigen zu lassen. Er konnte sich nicht so entblößen.
„Ich entschuldige mich“, presste er stattdessen heraus. „Ich glaube, ich muss mich anderswo umsehen.“
Dann machte er auf den Fersen kehrt und rannte so
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