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Thomas Mann - Ein Portraet fuer seine Leser

Thomas Mann - Ein Portraet fuer seine Leser

Titel: Thomas Mann - Ein Portraet fuer seine Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kurzke
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peripher aufgebaut. Hauptsächlich ist die Zigarre mit Müßiggang verbunden, und darauf aufbauend mit Zeitlosigkeit und mit der Meeresmetaphysik – «hat man eine gute Zigarre, dann ist man eigentlich geborgen, es kann einem buchstäblich nichts geschehn. Es ist genau, wie wenn man an der See liegt, dann liegt man eben an der See, nicht wahr, und braucht nichts weiter, weder Arbeit noch Unterhaltung …»[ 9 ] Hans Castorps bevorzugte Marke heißt «Maria Mancini» – diesen Namen trug die Jugendgeliebte Ludwigs des Vierzehnten, was zwar im Roman nicht erwähnt wird, aber zum assoziativen Hintergrund gehört. Allzu schwere Zigarren können zum Tod führen, aber es ist eine Lust damit: «Ich war überzeugt, daß ich abtanzen sollte», schwadroniert der Chefarzt des Sa na toriums über einen ausgearteten Zigarrengenuß, und erzählt von Angst und Festlichkeit dabei: «Der Bengel, der zum ersten Mal ein Mädchen haben soll, hat auch Angst, und sie auch, und dabei schmelzen sie nur so vor Vergnüglichkeit.»[ 10 ] Am Ende des Romans überwiegt wieder das Motiv der Zeitverlorenheit. Hans Castorp hat sich von Maria Mancini getrennt und verwendet nun «eine besonders gut gepflegte Sandblattzigarre namens ‹Rütlischwur›, etwas gedrungener als Maria, mausgrau von Farbe, mit einem bläulichen Leibring, sehr fügsam und mild im Charakter und zu schneeweißer, haltbarer Asche, in welcher die Adern des Deckblattes stehen blieben, so gleichmäßig sich verzehrend, daß sie dem Genießenden statt einer fließenden Sanduhr hätte dienen könnenund ihm nach seinen Bedürfnissen auch so diente, denn seine Taschenuhr trug er nicht mehr.»[ 11 ]
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Kirgisenaugen
    Clawdia Chauchat, Hans Castorps (meist einseitig) Geliebte, hat graublaue Augen, schmal und schlechthin zauberhaft geschnitten, über hochsitzenden Wangenknochen, «Kirgisenaugen»,[ 12 ] «Tatarenschlitze»,[ 13 ] «Steppenwolfslichter»,[ 14 ] zum Motivbereich «Asien» gehörig. Aus einem Traum weiß Hans, woher er diese Augen kennt: von Pribislav Hippe, einem Schulfreund, von dem er einst auf dem Schulhof einen Bleistift lieh.[ 15 ] Von seinem Mitschüler Williram Timpe, der diese Augen in der Wirklichkeit hatte und in den er als Fünfzehnjähriger verliebt war, hatte Thomas Mann tatsächlich einen Bleistift geliehen, wie eine späte Tagebuchnotiz bezeugt.[ 16 ] Im Roman verknüpft er dieses unscheinbare Erlebnis mit einem weiten Beziehungsnetz, in dem «Asien» für Kontrollverlust, sexuelle Zweideutigkeit und schweifende Sinnlichkeit steht, «Europa» aber für Form, Bewußtseinsklarheit und in geordnete Bahnen gezwängtes Triebleben.
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Kino
    Die Wochenschau begegnet bei Thomas Mann schon 1917, dort allerdings, feindselig gegen den Bruder Heinrich gerichtet, als Beispiel für tatscheue, aber wortreiche Ruhmsucht: «Den Hals in Pelz geschmiegt steht man, umstarrt von den Linsender Kinematographen, und singt vom ‹Geist›.»[ 17 ] Vermutlich hätte Thomas Mann sich selber gern von diesen Linsen umstarrt gesehen, was aber während des Ersten Weltkriegs keineswegs der Fall war.
    Erst die zwanziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts brachten den Durchbruch der modernen Massenkommunikation – den Aufstieg der Schallplatte, des Radios und des Films. Thomas Mann war den neuen Medien sehr zugeneigt. Eine kulturkonservative Verachtung findet man bei ihm nicht. Auch warben diese Medien um ihn, schon bald nach dem Krieg. Er sprach oft im Radio und wurde immer wieder auch gefilmt. Die junge Republik spannte ihn sogar als Filmzensor ein.[ 18 ] Er nannte dafür den Film eine demokratische Macht[ 19 ] – allerdings erst einige Jahre später, 1923, und nicht ohne einen Hauch von Ironie. In diesem Jahr wurde
Buddenbrooks
das erste Mal verfilmt, noch in der Stummfilmzeit – ein «strohdummes und sentimentales Kino-Drama […], von dem meine Seele nichts weiß», wie Thomas Mann (allerdings lange bevor der Film fertig gedreht war) an seinen Freund Ernst Bertram schrieb.[ 20 ]
    Auch im
Zauberberg
, der ja noch in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg spielt, ist das Kino in seinen aller ersten Anfängen präsent. Hans Castorp geht mit einigen Mitpatienten ins «Bioskop-Theater»[ 21 ]. Dort gehört der Film freilich nicht zu den demokratischen Faktoren, sondern zu den dunklen Gegenmächten, die Raum und Zeit und helle Tagesvernunft vernichten:
    Es war eine aufgeregte Liebes- und Mordgeschichte, die sie sahen, stumm sich abhaspelnd am Hofe eines orientalischen Despoten, gejagte

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