Thomas Mann - Ein Portraet fuer seine Leser
Tirol,[ 11 ] einmal auf einem Esel namens Michelangelo.[ 12 ] Biszum Weltkrieg war in München die Tram das wichtigste Verkehrsmittel. Thomas Mann läßt sie in seinem Faustroman vorkommen, kurz bevor ein Mord geschieht: «Elektrisches Feuer zuckte beständig unter den Rädern des Gefährtes und noch stärker oben an der Kontaktstange, von wo diese kalten Flammen zischend in ganzen Funkenschwärmen zerstoben.»[ 13 ] Die Tram wurde auch vom wohlsituierten Bürgertum, etwa von heimkehrenden Konzertbesuchern, benützt. Da es oft keine getrennten Wagenklassen gab, konnte es zu kleinen Spannungen kommen. «Ich trage abends wieder den Pelz», notiert Thomas Mann im Tagebuch vom 21. November 1918, «auch wohl mittags bei Tramfahrten, wobei es mir etwas peinlich ist, mich in der Üppigkeit sehen zu lassen, die leicht Anstoß erregen und böses Blut machen kann, in den ‹sozialen Zeiten›.»
Große Reisen hat Thomas Mann natürlich mit der Eisenbahn gemacht, die damals eine luxuriöse erste Klasse bot und auch ein beachtliches Tempo fuhr. Von München bis Königsberg in Ostpreußen dauerte es im Jahre 1903 zwanzig Stunden. Eine seiner ersten Lesereisen führte ihn dahin. Thomas Mann bestieg den Zug in München am 20. Oktober 1903 um 10.10 Uhr, kam 20.15 Uhr am Anhalter Bahnhof in Berlin an, fuhr 21.15 Uhr ab Friedrichstraße mit dem Schlafwagen weiter und erreichte Königsberg am 21. Oktober um 7.22 Uhr.[ 14 ] Das dauert heute länger. Zwei oder mehr Tage in klimatisierten Luxuszügen zu fahren ist ein Erlebnis, dem Thomas Mann sich auch in seinen amerikanischen Jahren gern und häufig unterzieht.
Er liebte offene Wagen.[ 15 ] 1925 erwarb er das erste Auto, einen sechssitzigen Fiat.[ 16 ] 1928 kaufte er eine «sehr prachtvolle 8 cylindrige Horch-Limousine».[ 17 ] Diese und einen sechszylindrigen Buick-Phaeton mit Klappverdeck holten die Nazis 1933 widerrechtlich aus der Garage, zusammen mit Golo Manns DKW, «nicht etwa, um sichergestellt, sondern einfach, um fortan von der Münchener SA gefahren und aufgebraucht zu werden».[ 18 ] Im Exil mußte Ersatz geschaffen werden. Am 28. Oktober 1933 wurden zunächst bei Ford, dann am 1. November 1933 bei Fiat Wagen angeschaut. «Wir werden dort kaufen», ist im Tagebuch vermerkt, «da ich zu dieser Marke, die unsere erste war, Vertrauen habe. Wir schwanken zwischen einer bequemen Limousine und einem sportlichschmucken Kabriolett.» Es folgten ein Chevrolet, zwei Buick, wieder ein Fiat und am Ende ein Plymouth. In den Jahren bis 1933 hatte die Familie auch einen Chauffeur. Thomas Mann selbst hat nie einen Führerschein gemacht, wohl aber Katja und natürlich nach und nach die Kinder, unter denen insbesondere Erika sich als semiprofessionelle Rennfahrerin bewährte. Sie ließ sich als Automonteur ausbilden und gewann 1931 eine Südeuropa-Rallye, zehntausend Kilometer in zehn Tagen, und das bei den damaligen Straßenverhältnissen.
Führten die Reisen aus Europa heraus, nach Ägypten zum Beispiel oder seit 1933 immer öfter in die Vereinigten Staaten von Amerika, dann war natürlich das Schiff das bewährte und auch bequeme Verkehrsmittel. Es war zwar langsam, aber man konnte dort lesen, denken und schreiben. Seine erste Atlantiküberquerunghält der Dichter in einem großen Reisefeuilleton fest, das unter dem Titel
Meerfahrt mit Don Quijote
1934 in der
Neuen Zürcher Zeitung
erschien.[ 19 ] Obgleich er dort das Lob der Langsamkeit singt, bleibt er doch ein moderner Mensch, der wenig später das erste Mal fliegt und das Abenteuer «bedeutend, aber nicht gerade angenehm»[ 20 ] findet. Als nach dem Zweiten Weltkrieg der Standard der zivilen Luftfahrt rasch anstieg, benützte er das Flugzeug immer häufiger, bald auch interkontinental. «Flugreise, in guten Stühlen, von ca. 20 Stunden, glatt und glücklich, aber ermüdend», notiert er 1950 nach einem Flug von New York nach Stockholm.[ 21 ]
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Nobelpreis
1929 erhielt Thomas Mann den Nobelpreis für Literatur. Das lag in gewisser Hinsicht auf seinem Wege und war nicht besonders überraschend. In den Jahren vorher hatte er ganz Europa bereist. Sein internationaler Ruhm war auf dem Höhepunkt. Auffällig ist angesichts dessen, daß die Urkunde nur
Buddenbrooks
als Verleihungsgrund erwähnt, nicht aber den
Zauberberg
. Der damalige Kingmaker, der schwedische Germanist und Kritiker Fredrik Böök, war ein Bewunderer Thomas Manns einschließlich der Kriegsschriften, hatte aber die Hinwendung zur Weimarer Republik nicht
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