Thomas Mann - Ein Portraet fuer seine Leser
er bis dahin ein Spieler, so begann 1933 mit dem Exil der Ernst. Er gründete Zeitschriften, koordinierte Initiativen, reiste ständig herum zwischen Amsterdam, Paris, Zürich und bald auch New York, schrieb dabei mehrere Romane, darunter
Mephisto
(1936), kam immer wieder nach Hause, brauchte seelische und materielle Unterstützung. Er war drogenabhängig und homosexuell. Er wurde 1943 amerikanischer Staatsbürger und bald auch Soldat, was ihn stabilisierte, konnte aber nach dem Krieg keinen Platz mehr finden und nahm sich 1949 in Nizza das Leben.
Elisabeth Mann (* 1918), später Mann-Borgese, war die geliebte jüngste Tochter, die Thomas Mann literarisch im
Gesang vom Kindchen
(1919) und in
Unordnung und frühes Leid
(1925) verewigte. Ihre Natur war glücklicher. Sie heiratete und hatte zwei Töchter. Sie wurde später eine renommierte Professorin für Internationales Seerecht und litt nicht unter dem Elternhaus, das sie durch ihre Heirat bereits 1939 auf Dauer verlassen hatte. Sie war 1933 den Eltern ins Exil gefolgt und mit ihnen 1936 erst einmal Bürgerin der Tschechoslowakei geworden. 1941 wurde sie Amerikanerin. Ein Vierteljahrhundert lebte sie in Italien, bevor sie 1984 die kanadische Staatsangehörigkeit annahm. Sie starb 2002 in Sankt Moritz in der Schweiz als Kanadierin.
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Golo, Monika, Michael
Die drei anderen standen, obgleich das Tagebuch immer wieder auch Anerkennendes überliefert, im großen Ganzen beim Vater in geringerer Gunst. Golo (* 1909) war ein guter Schüler, promovierte, lehrte an Universitäten und schrieb erfolgreiche historische Bücher (
Wallenstein
, 1971). Auch er verliert wie alle Mann-Kinder die deutsche Staatsbürgerschaft, wird erst Tscheche (1936), dann Amerikaner (1943) und amerikanischer Soldat, dann Schweizer (1968), später daneben mit doppelter Staatsangehörigkeit wieder auch Deutscher (1976). Solange Thomas Mann lebte, war Golo Mann ihm oft ein unentbehrlicher Helfer, der immer wieder auch auf längere Zeit ins Elternhaus zurückkehrte. Nach dem Tod des Vaters setzte sich der Dienst an seinem Werk einer seits fort (denn Golo Mann war lange Zeit ein vorzüglicher Verwalter des Copyrights und residierte nach Erikas Tod im Kilchberger Haus), mehrten sich andererseits aber auch Äußerungen eines tiefen Grolls, der mit der Homosexualität zusammenhängen mag, die der Sohn nach dem Vorbild des Vaters nicht auslebte. Er adoptierte 1972 einen jungen Mann, Hans Beck, der 1986 verstarb. Dessen Ehefrau Ingrid Beck-Mann betreute Golo Mann in der letzten Zeit vor seinem Tode, die er in Leverkusen zubrachte, wo er auch starb. Ihr fiel der beträchtlichste Teil seines Erbes zu, zu dem auch die Nachlässe von Erika und Monika gehörten.
Monika Mann (* 1910) war durch Internate und andere Ausbildungen schon lange elternhausentwöhnt, stieß seit 1933 immer wieder zu ihrer Familie,was aber nie gut ging, heiratete 1939 in London, verlor ihren Ehemann jedoch bereits 1940 beim Untergang der von einem deutschen U-Boot torpedierten «City of Benares», die das junge Paar nach Kanada bringen sollte. Erneute Not-Aufenthalte bei den Eltern führten immer wieder zu schweren Krisen. Sie lebte seit 1954 auf Capri, schrieb Lyrik, Erinnerungsbücher und Feuilletons. Nach dem Tod ihres italienischen Lebensgefährten wollte sie bei Golo in Kilchberg wohnen, aber das harmonierte nicht; er sorgte deshalb dafür, daß sie ihre letzten Jahre bei Ingrid Beck-Mann, der Frau seines verstorbenen Adoptivsohns, zubringen konnte, so daß auch Monika in Leverkusen starb (1992). Staatsrechtlich war sie ab 1938 Bürgerin der Tschechoslowakischen Republik, ab 1952 Amerikanerin, ab 1958 Deutsche.
Der jüngste Sohn Michael Mann (* 1919) war vierzehn, als die Emigration begann, studierte Musik in Zürich und wurde ein vorzüglicher Bratschist. Seit 1940 lebte er hauptsächlich in Kalifornien. Erst mit fast vierzig Jahren wendete er sich der Germanistik zu und unterrichtete seit 1964 an der University of California in Berkeley. Er war kompliziert wie alle Mann-Kinder, jedenfalls nicht ausgeglichen und glücklich. Zu seinen zwei Söhnen Frido und Toni gesellte sich 1970 eine Adoptivtochter aus Indien. In der Silvesternacht 1976/1977 starb Michael Mann an einer Mischung aus Alkohol und Barbituraten. Er war zuerst Tscheche und dann Amerikaner.
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Frido und Echo
Nepomuk Schneidewein, genannt Echo, ein fünfjähriger Junge von überirdischem Liebreiz, war «Adrians letzte Liebe»[ 1 ] – des Künstlers Adrian Leverkühn
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