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Thomas Mann - Ein Portraet fuer seine Leser

Thomas Mann - Ein Portraet fuer seine Leser

Titel: Thomas Mann - Ein Portraet fuer seine Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kurzke
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über London, Stockholm (dort schwerer Schock durch die Nachricht vom Freitod des Sohnes Klaus), Kopenhagen, Zürich und andere Schweizer Orte endlich, mit einem Gefühl, als ob es in den Krieg ginge, auch nach Deutschland: Frankfurt am Main, Stuttgart, München, Nürnberg und Bayreuth waren die Hauptstationen, gefolgt von dem in der sowjetischen Besatzungszone gelegenen Weimar. Die Erfahrungen waren gemischt. In der Ostzone einträchtig wirkender, aber offiziell gesteuerter Jubel, in der Bundesrepublik neben Anerkennung viel Häme und Niedertracht. Schlimmer noch war die Mißbilligung durch das offizielle Amerika. Die Allianz der Amerikaner mit Sowjetrußland war bei Kriegsende sofort zusammengebrochen. Im Klima des Kalten Kriegs verübelte man dem amerikanischen Bürger Thomas Mannden Besuch in der sowjetischen Besatzungszone schwer. Es mehrten sich Angriffe der amerikanischen Presse und Zeichen der Unerwünschtheit seiner politischen Äußerungen. Die Library of Congress sagte 1950 seinen jährlichen Vortrag ab. Er fühlte sich in diesem Amerika immer weniger wohl, sah immer mehr Ähnlichkeiten mit dem Faschismus, so daß 1952 der Entschluß zur Reife kam, sich in die Schweiz abzusetzen. Vorher hatte die Europareise von 1950 wieder Deutschland ausgespart und hauptsächlich in die Schweiz geführt. Buchens wert war für ihn ganz privat die späte Liebe zu dem Kellner Franz Westermeier im Züricher Grand Hotel Dolder, die sich vor den Augen von Katja und Erika Mann abspielte. Auch 1951 bringt eine Europareise, dieses Mal außer in die Schweiz hauptsächlich urlaubshalber nach Österreich, aber mit einem kurzen Besuch der ehemaligen Heimat in München.
    Die literarische Produktion dieser Jahre umfaßt außer der Fertigstellung des Faust-Romans vor allem die Essays
Dostojewski – mit Maßen
(1945) und
Nietzsches Philosophie im Lichte unserer Erfahrung
(1947), den Rechenschaftsbericht
Die Entstehung des Doktor Faustus
(geschrieben 1948, erschienen 1949), mehrere Goethe-Reden im Gedenkjahr 1949, den autobiographischen Essay
Meine Zeit
(1950), die vom Franzl-Erlebnis inspirierte Studie
Die Erotik Michelangelo’s
(1950), das diskret religiöse Bekenntnis
Lob der Vergänglichkeit
(1952) und, ebenfalls 1952, den Vortrag
Der Künstler und die Gesellschaft
. Was Erzählerisches betrifft, folgt auf den
Doktor Faustus
eine tiefe Krise. Thomas Mann fühlt sich wieder einmal, wie vor dem Ersten Weltkrieg, ausgeschrieben. Das Tagebuch verzeichnet immer wieder depressive Episoden (zum Beispiel Ende des Jahres 1951). Trotzdem entsteht in den knapp drei Jahren von Januar 1948 bis November 1950 als Nachspiel zum
Faust
der kleine Roman
Der Erwählte
.
    1952–1955: Letzte Lebensjahre in der Schweiz
    Die 1952er Reise, begonnen im Juni, ist eine Reise ohne Wiederkehr ins amerikanische Heim. Ende Dezember 1952 wird ein gemietetes Haus in Erlenbach bei Zürich bezogen. Für den Umzug des kalifornischen Eigentums sorgt Erika; das Haus in Pacific Palisades wird 1953 verkauft. Ab Januar 1951 wird, nach fast vierzig Jahren, der Faden der
Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull
wieder aufgenommen und bis zum April 1954 fortgesponnen, ohne daß der Roman zum Abschluß kommen konnte. Von Mai 1952 bis März 1953 schreibt Mann an der Novelle
Die Betrogene
, die am Beispiel einer alternden Frau, die sich in einen jungen Mann verliebt, das Thema der tödlichen Leidenschaft wieder aufgreift. Der April 1953 bringt eine Reise nach Rom mit einer Audienz bei Papst Pius XII., der Juni eine nach London und Cambridge, an die sich Aufenthalte in Hamburg und Travemünde anschließen. Häuser werden gesucht. Auf die Zeit in Erlenbach folgt ab April 1954 bis zum Tod wieder das Leben in einem eigenen gekauften Haus, Alte Landstraße 39 in Kilchberg am Zürichsee. Das Haus schien zunächst zu teuer, aber viel Geld strömt jetzt herein, Preise, Entschädigungen, Honorare – vor allem der
Krull
trägt große Summen. Im Februar und März 1954 geht es noch einmal nach Italien (Taormina, Rom, Florenz, Mailand). Der Aufbau Verlag (Berlin/DDR) bereitet eine zwölfbändige Gesamtausgabe vor. Eine Vortragsreise im August 1954 führt nach Köln und Düsseldorf.
    Die letzte, immer wieder von Niedergeschlagenheit und Überanstrengung geschmälerte und von Ehrungen erhöhte Lebenszeit gehört vor allem zwei großen Essays. Juni– Juli 1954 wird der
Versuch über Tschechow
geschrieben, September 1954 bis Januar 1955 der
Versuch über Schiller
, der für

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