Thomas Mann - Ein Portraet fuer seine Leser
Tiefenanalyse der Gründe, die zum Zusammenbruch des Kaiserreichs geführt hatten.
1925–1933: Kampf gegen Hitler
Die Gegenwart der Weimarer Republik inspiriert ihn zu Erzählungen mit zeitkritischem Hintergrund.
Unordnung und frühes Leid
, erschienen 1925, spielt 1923 auf dem Höhepunkt der Inflation und gibt, aus der eigenen Erfahrung als Vater halbwüchsiger Kinder gespeist, ein Bild der Jugend in den zwanziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts.
Mario und der Zauberer
, erschienen 1929, zeigt die bedrückende Atmosphäre des Faschismus in einem italienischen Badeort. In beiden Fällen ist das Gesellschaftskritische freilich nur Vordergrund, während die tragende Strukturdie bekannte ist: das Verhältnis von Trieb und Vernunft und die Unterlegenheit der letzteren in der Regel.
Während
Der Zauberberg
konzeptionell noch auf die Kaiserzeit zurückgeht, war der große Roman
Joseph und seine Brüder
ein Projekt der Weimarer Republik. Die Grundlinie war aufwärts gerichtet: Der biblische Joseph sollte sich vom egoistischen Träumer zum sozial verantwortlichen Politiker entwickeln. Der Aufstieg des Nationalsozialismus entzog diesem Optimismus den Boden. Von 1927 bis 1933 intensiviert sich die Politisierung immer mehr. Thomas Mann schreibt scharfe Artikel gegen die Hitler-Bewegung (zum Beispiel
Was wir verlangen müssen
, 1932) und linksorientierte Essays wie
Bekenntnis zum Sozialismus
(1933). Er als Schopenhauerianer appelliert an die Vernunft und versucht, das Bürgertum an die Seite der Sozialdemokratie zu führen (
Deutsche Ansprache
, 1930). Seine Stimme wird weithin gehört. 1929 hatte er den Nobelpreis für Literatur erhalten, als einziger Deutscher zwischen Gerhart Hauptmann (1912) und Heinrich Böll (1972).
Thomas Mann ist in diesen Jahren außerordentlich produktiv. Außer dem großen Roman, der Mario-Erzählung und den tagespolitischen Arbeiten bringt er zahlreiche Essays und Reden hervor, autobiographische wie
Lübeck als geistige Lebensform
(1926) und
Lebensabriß
(1930), kulturell-psychologische wie
Die Stellung Freuds in der modernen Geistesgeschichte
(1929) und
Fragment über das Religiöse
(1931), literarische wie
Theodor Storm
(1930),
August von Platen
(1930) und
Goethe als Repräsentant des bürgerlichen Zeitalters
(1932). Er beantwortet viele Rundfragen (zum Beispiel
Treiben Sie Sport?
, 1926), bevorwortet Bücher und liefert Grußadressen zu vielen Ehrentagen. Die Reisetätigkeit ist die übliche, gemischt aus dienstlichen und privat urlaubsmäßigen, und führt jedes Jahr mindestens einmal nach Berlin, ferner (eine kleine Auswahl) nach Köln undMainz, Arosa, Lübeck und Forte dei Marmi an der italienischen Riviera (alle 1926), Warschau und Danzig, Köln und Essen, Kampen auf Sylt (wo er sich in Klaus Heuser verliebt), Krefeld, Düsseldorf, Aachen, Koblenz und Trier (alle 1927), Südfrankreich, Leipzig, Wien, Zürich, Magdeburg und Liegnitz (alle 1928), Weimar, Bad Gastein, Königsberg, Nidden, Oberammergau und Stockholm (alle 1929), Kairo, Assuan, Jerusalem, Den Haag, Genf und Ansbach (alle 1930), St. Moritz, Straßburg, Paris, Erlangen und Elbing (alle 1931), Luzern, Prag, Frankfurt am Main, Wien und Wuppertal (alle 1932). Am 11. Februar 1933 tritt Thomas Mann eine Vortrags- und Urlaubsreise an. Erst 1949 wird er sein Münchener Haus wiedersehen.
Katja Mann begleitet ihn meistens und organisiert das große Hauswesen. An familiären Ereignissen mangelt es nicht. Die Schulprobleme der Kinder führen zu reibungsreichen Begegnungen mit der Internats- und Reformpädagogik der Zeit. Am 24. Juli 1926 heiratet die älteste Tochter Erika als 20jährige den Schauspieler Gustaf Gründgens. Die Ehe wird 1929 geschieden. Am 10. Mai 1927 tötet sich Thomas Manns Schwester Julia. Sohn Klaus gehört zusammen mit Erika zu den Enfants terribles der Weimarer Republik und brilliert bereits 1925 als 19jäh riger mit dem Theaterstück
Anja und Esther
.
1933–1945: Im Exil
Die ersten Stationen waren Arosa, Lenzerheide, Lugano und Basel, dann ab Mai 1933 Bandol und ab Juni Sanarysur-Mer in Südfrankreich. Ende September 1933 wurde ein gemietetes Haus in Küsnacht am Zürichsee bezogen, das bis zum Sommer 1938 als Familienheimat dient. Der Wirkungsraum konzentrierte sich nun zwar auf die Schweiz, doch wurde die Internationalität aufrechterhaltendurch mehrere Reisen nach Österreich, nach Ungarn, in die Tschechoslowakei, nach Südfrankreich und vor allem in die Vereinigten Staaten, das erste Mal
Weitere Kostenlose Bücher