Thondras Kinder - Am Ende der Zeit
Ariac sagte immer, dass ihre Haare die Farbe von Steppengras im Herbst hatten. Rijana hatte etwas Natürliches, Wildes an sich, das auf viele Männer beinahe noch anziehender wirkte als die wohlerzogene und immer perfekt wirkende Saliah.
Endlich schienen Broderick und Rudrinn voneinander abzulassen und sich dem Essen zu widmen. Rudrinn riss eine Keule aus dem Fasan.
»Hier, fang«, rief er und warf sie Rijana zu.
Die reagierte zu langsam, sodass das fetttriefende Fleisch auf Saliahs Lederhose landete.
Saliah schrie empört auf. »Du Idiot!«
Rudrinn zog die Augenbrauen zusammen und verbeugte sich übertrieben. »Oh, verzeiht, Mylady. Habe ich Euch etwa das Festgewand verdorben?«
Wutschnaubend sprang Saliah auf. »Du bist ein verfluchter, rüpelhafter Pirat.«
»Solch derbe Worte aus deinem Munde?«, fragte er spöttisch.
Daraufhin stolzierte Saliah hocherhobenen Hauptes hinaus und würdigte Rudrinn keines Blickes mehr.
Broderick wunderte sich mal wieder über die beiden. Eigentlich waren sie immer Freunde gewesen, doch während des letzten halben Jahres hatten sie sich ständig wegen irgendwelcher Kleinigkeiten gestritten. Er konnte das nicht verstehen.
Auch Rijana schüttelte den Kopf. Rudrinn war zwar ihr Freund, aber manchmal verhielt er sich Saliah gegenüber wirklich unmöglich. Sie sah, wie er ihr hinterherblickte und dann abwinkte, bevor er sich wieder seinem Fleisch zuwandte.
Rijana setzte sich zu Ariac, der mit seinem Dolch neue Pfeile schnitzte. Er lächelte, als er sie sah.
»Möchtest du nichts essen?«, fragte sie.
»Später«, erwiderte er und schnitzte weiter.
»Ich freue mich auf Errindale.« Rijana lehnte sich an Ariacs Schulter.
Er nickte und legte den Pfeil zur Seite. Dann nahm er sie in den Arm und zog sie an sich. »Und ich freue mich darauf, wenn wir im Frühling in die Steppe zurückkehren, dann können wir endlich heiraten.«
Lächelnd blickte Rijana zu ihm auf und fuhr ihm über die feinen, verschlungenen Tätowierungen an der Schläfe. »Darauf freue ich mich ebenfalls. Hoffentlich geht es allen gut.«
König Scurr hatte im letzten Jahr Jagd auf alle Steppenleute gemacht, da er Ariac hatte finden wollen. Einige Clans waren beinahe vollständig ausgelöscht worden.
Ariac seufzte und drückte Rijana einen Kuss auf die Stirn. »Die Arrowann halten sich sicherlich gut versteckt. Wir werden alle wiedersehen.«
»Ich vermisse Leá und all die anderen.«
»Ich auch.« Ariac war ein wenig wehmütig. »Wer weiß, wahrscheinlich hat Lynn jetzt schon ihr Kind und ist am Ende schon wieder schwanger.«
Rijana grinste. Lynn und Leá waren Ariacs zwei Jahre ältere Zwillingsschwestern. Leá war die sanftmütigere, ruhigere von beiden, Lynn dagegen ziemlich wild und ungestüm. Sie hatte den Sohn des Clanführers eines anderen Steppenclans geheiratet und mittlerweile bereits drei Kinder. Das hielt sie allerdings nicht davon ab, Jagden und wilde Ritte über die Steppe zu machen.
»Ruric ist sicherlich gewachsen«, vermutete Rijana und kuschelte sich an Ariacs Schulter. Langsam wurde sie schläfrig. Es war mal wieder ein anstrengender Tag gewesen.
»Ja, mein kleiner Bruder«, sagte Ariac nachdenklich und zog seine Decke über Rijanas Schulter.
Ariac hatte gar nicht gewusst, dass seine Eltern, nachdem er selbst mit zwölf Jahren mit Brogan, dem Zauberer von Camasann, fortgegangen war, noch einmal ein Kind bekommen hatten. Ariac war damals aber nicht bis Camasann gekommen. Die Blutroten Schatten hatten den Wagen überfallen und alle Krieger Camasanns getötet. Außer Rijana, die Ariac damals versteckt hatte, waren die Kinder nach Ursann auf die Ruine der Festung von Naravaack entführt worden. Die grausame Ausbildung unter Worran hatte den Willen eines jeden Kindes schnell gebrochen, sodass sie König Scurrs willenlose Sklaven wurden – alle bis auf Ariac. Der hatte sich trotz Folter niemals vollständig bezwingen lassen, zumindest so lange nicht, bis König Scurr ihn durch einen gemeinen Trick glauben gemacht hatte, dass König Greedeons Krieger seinen Clan ausgelöscht hatten. Von da an hatte Ariac Scurr gedient, war ein ebenso gnadenloser und rücksichtsloser Krieger geworden wie die anderen und hatte nur durch Rijanas Hilfe Scurrs Lügen durchschaut. Gemeinsam mit ihr war er in die Steppe zurückgekehrt und hatte seine Familie lebend vorgefunden. Erst dort
hat er seinen kleinen Bruder Ruric kennen gelernt, der nun an seiner Stelle Clanführer der Arrowann werden sollte. Ariac
Weitere Kostenlose Bücher