Thondras Kinder - Am Ende der Zeit
und stapfte durch den Schnee los. Die anderen folgten ihr, doch dann sahen sie, dass Ariac seinen Gegner mit unglaublicher Gewandtheit und Präzision in Grund und Boden drosch. Sein silbernes Schwert zischte einem Tanz gleich durch die Luft, während Ariac den Gegenangriffen beinahe mühelos auswich. Dann gelang dem Steppenkrieger der letzte tödliche Schlag. Der Soldat lag bereits tot am Boden, aber Ariac stach immer wieder mit dem Schwert zu. Rijana war ihm zur Seite geeilt und packte ihn am Arm. Sie erschrak, als er mit wildem und entrücktem Blick herumfuhr.
»Er ist tot!«
Ariac keuchte und blickte auf den Boden, so, als würde er das erst jetzt bemerken. Dann ließ er sich heftig atmend in den Schnee sinken.
»Du liebe Zeit«, flüsterte Broderick Tovion ins Ohr. »Er hat gekämpft wie ein Berserker.«
Tovion nickte ernst und kniete sich neben Ariac, der jetzt mit starrem Blick sein Schwert säuberte.
»Was war denn los?«
Schuldbewusst blickte Ariac auf. »Ich weiß auch nicht, aber mich hat plötzlich der blanke Hass gepackt. Ich musste an Worran denken und an Ursann.«
»Na hoffentlich passiert das nicht irgendwann mal beim Training«, witzelte Rudrinn mit einem komischen Grinsen.
Ariac erhob sich und schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe mich unter Kontrolle.«
»Wir sollten weiterreiten«, meinte Tovion und blickte sich nervös um. »Möglich, dass noch mehr Soldaten in der Nähe sind.«
Die anderen stimmten ihm zu und stiegen eilig auf ihre Pferde. Mehrere Tage ritten sie weiter durch die eisige Kälte.
Währendessen bebte die Erde immer wieder. Rijana musste oft an die Elfen denken, die vorhergesagt hatten, dass die Erde sich gegen die Machenschaften der Menschen wehren würde. Je weiter die sieben Freunde durch Errindale ritten, umso nervöser wurde Broderick. Er hatte seinen kleinen Sohn Norick noch nie gesehen und bis vor kurzer Zeit gar nicht gewusst, dass es ihn überhaupt gab. Zauberer Hawionn und König Greedeon hatten alles dafür getan, dass niemand Nachrichten von außen bekam.
»Meinst du, Kalina freut sich, wenn ich komme?«, fragte Broderick mal wieder, als er neben Rijana ritt.
»Sicher. Sie hat dich sehr vermisst, und seitdem sie von mir weiß, dass du ihr immer wieder geschrieben hast und die Briefe nie bei ihr ankamen, weil sie abgefangen wurden, ist sie auch nicht mehr wütend auf dich.«
Noch immer wirkte Broderick unsicher. »Erzähl mir von meinem Sohn«, verlangte er wie schon so häufig.
Und wieder berichtete Rijana geduldig, dass der kleine Norick ein fröhliches Kind sei und Broderick zum Verwechseln ähnlich sähe. Broderick seufzte sehnsüchtig und fuhr sich nervös durch die borstigen dunkelblonden Haare. Er konnte es kaum noch abwarten.
Ein bitterkalter Wind wehte durch die weit auseinanderstehenden Bäume, als sich die kleine Gruppe der Schenke zum Finstergnom näherte. Durch die geschlossenen Fensterläden konnte man Licht sehen. Broderick, der sich frisch rasiert und ein halbwegs sauberes Hemd angezogen hatte, hielt seinen Wallach an und blickte mit einem dicken Kloß in der Kehle auf das kleine Gebäude. Hier war er aufgewachsen. Seine Eltern waren gestorben, als er noch sehr jung gewesen war. Finn, der Wirt, und seine Frau, die allerdings auch schon lange nicht mehr lebte, hatten ihn aufgezogen, bis er von den Zauberern Camasanns entdeckt und auf die Insel gebracht worden
war. Das kleine Lehmgebäude, die alten Holzbalken und das strohgedeckte Dach, das alles war ihm vertraut und zugleich fremd.
»Komm, sie wird sich freuen«, munterte Falkann Broderick auf.
Der stieg zögernd vom Pferd und ging mit wackeligen Schritten auf das Gebäude zu. Falkann, Rijana und Ariac folgten ihm, die anderen blieben bei den Pferden und behielten die Gegend im Auge. Broderick stand mit erhobener Faust vor der Tür, doch er zögerte. Er hatte sich so sehr gewünscht, seine Familie wiederzusehen, aber jetzt traute er sich nicht.
Schließlich drückte Falkann gegen die uralte Eichentür, aber die war von innen verriegelt.
»Es ist geschlossen«, sagte Broderick und wirkte sogar ein wenig erleichtert. Er wollte schon gehen, doch da schlug Falkann kräftig gegen die Tür. Nach einer Weile hörte man schlurfende Schritte, und ein alter Mann öffnete. Sein müdes, wettergegerbtes Gesicht überzog sich plötzlich mit einem strahlenden Lachen, als Broderick seine Kapuze zurückschlug.
»Du liebe Zeit, Broderick!«, rief er und umarmte seinen Ziehsohn glücklich.
Der
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