Thondras Kinder - Am Ende der Zeit
vernichten, nur damit Scurr sie in Ruhe lässt.«
Rijana setzte sich neben ihn auf den Baumstumpf und legte ihm einen Arm um die breiten Schultern.
»Scurr wird sich nicht an irgendwelche Abmachungen halten«, sagte sie vorsichtig. »Wenn es ihm gefällt, wird er auch Catharga und euer Königshaus vernichten. Ich hoffe, es ist nicht zu spät, wenn dein Bruder das erkennt.«
Falkann stieß einen bitteren Laut aus. »Soll er doch! Ich hoffe, sie brennen das ganze verdammte Schloss nieder und hängen meinen Bruder an den Zinnen auf.« Er spannte den Unterkiefer an. »Ich bin keiner von ihnen mehr, ich hasse sie.«
»Ich verstehe dich. So ging es mir, als ich im letzten Jahr bei meinen Eltern war.« Sie streichelte Falkann über die etwas wirren, halblangen Haare. »Weißt du, wir konnten uns unsere Eltern nicht aussuchen. Ariac hat damals gesagt, ich soll nicht
traurig sein, meine Eltern wären dumm und charakterlos. Wie es aussieht, ist es bei deiner Familie ähnlich.« Sie lächelte ihn aufmunternd an. »Wir halten zu dir, wir sind deine Freunde, und die kann man sich zum Glück selbst wählen.«
Mit einem halbherzigen Lächeln legte Falkann seinen Kopf auf Rijanas schmale Schulter. »Ich bin froh, dass ich euch habe«, sagte er leise. Sollte er jetzt sagen, dass er damals einen schwerwiegenden Fehler gemacht hatte? Andererseits war Rijana ihm so nah, und das kam nicht mehr häufig vor, seitdem sie mit Ariac verlobt war. Er genoss es, dass sie bei ihm war. Falkann seufzte und verschob sein Geständnis auf ein anderes Mal.
Ariac kam mit einem Reh auf den Schultern zurück. Er hatte es bis weit in den Wald hineinverfolgt und auf der anstrengenden Jagd durch den tiefen Schnee ein wenig von seiner Wut verrauchen lassen. Aber trotzdem wurde er den Gedanken einfach nicht los, dass Worran so nah in seiner Reichweite gewesen war und er ihn trotz allem nicht hatte umbringen können. Er sah Rudrinn, Tovion und Saliah am Feuer sitzen. Broderick kam durch den Schnee auf ihn zugestapft. Er war von allen zwar der Kleinste, aber gleichzeitig der Kräftigste. Sein breites, freundliches Gesicht verzog sich zu einem Lächeln.
»Komm, ich helfe dir.«
Ariac ließ das tote Reh in den Schnee fallen und zog die Augenbrauen zusammen, als er in der Dämmerung zwei Gestalten nicht weit entfernt auf dem Baumstumpf sitzen sah.
»Was soll das denn?«, fragte er gereizt, denn er erkannte jetzt, dass Rijana Falkann den Arm um die Schultern gelegt hatte.
Broderick schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Keine Angst, sie tröstet ihn nur. Du brauchst nicht eifersüchtig zu sein.«
»Bin ich nicht«, knurrte Ariac und machte sich wütend daran, das Reh auszunehmen.
Mit breitem Grinsen kniete sich Broderick neben ihn in den Schnee, um ihm zu helfen.
»Was ist?«, fragte Ariac ungehalten.
»Du siehst aber verdammt eifersüchtig aus.«
Ariac schnaubte, dann blickte er erneut zu Rijana und Falkann. Broderick nahm ihn am Arm. »Rijana ist treu«, versicherte er. »Sie liebt dich, sonst hätte sie nicht so viel für dich getan und solche Gefahren auf sich genommen.«
Daraufhin entspannte sich Ariac ein wenig. »Das weiß ich. Aber ich sehe es nicht gern, wenn sie mit einem anderen Mann so vertraut ist. Schließlich waren sie und Falkann ja einmal …«
Broderick unterbrach ihn kopfschüttelnd. »Das ist lange her.« Dann grinste er sein typisches breites Grinsen. »Allerdings, wenn meine Kalina einen Mann in den Arm nehmen würde, würde ich erst ihn verprügeln und dann sie übers Knie legen.«
Nun musste Ariac gegen seinen Willen grinsen. »Aha, das heißt, ich soll zuerst Falkann niederschlagen und dann Rijana?«
Lachend schüttelte Broderick den Kopf. »Nein, sonst würdest du es mit mir zu tun kriegen.«
Ariac seufzte, aber Broderick hatte es mit seiner lustigen und unkomplizierten Art mal wieder geschafft, ihn abzulenken. »Aus euch ›zivilisierten‹ Menschen soll man klug werden«, knurrte er scherzhaft.
»Ja, das ist für einen Wilden wie dich wohl etwas schwierig«, erwiderte Broderick augenzwinkernd.
Die beiden machten sich daran, das Reh übers Feuer zu hängen, und bald lag ein verlockender Duft in der Luft. Auch Rijana und Falkann kamen zurück. Rijana setzte sich lächelnd neben Ariac auf einen umgekippten Baum und gab ihm einen Kuss.
»Schön, dass du wieder da bist.«
Er nickte und blickte Falkann nachdenklich an, der den Kopf hängen ließ und nichts essen wollte.
»Komm schon, das Reh schmeckt
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