Thondras Kinder - Roberts, A: Thondras Kinder
sah in der Ferne bereits die weiten Grasebenen, die vielen Seen und ganz im Westen, unheilkündend, die schroffen Berge von Ursann. Aber bis dorthin war es noch ein langer Weg. Rijana und Ariac liefen einen steilen Berghang hinab. Hier war wieder viel Wald zu sehen, und sie hatten Glück, denn es gab reichlich Wild. Plötzlich hob Ariac eine Hand und hielt Rijana zurück. Er legte einen Finger auf die Lippen und schlich vorsichtig an den Rand einer Klippe. Rijana folgte ihm, und sie legten sich an die schroffe Felskante. Unter ihnen, in einem Felskessel, am Rande der beginnenden Ebenen, war eine große Menge Orks zu sehen. Rijana und Ariac schätzten die Anzahl der Wesen auf mehr als zweihundert. Dazu waren dort noch etwa zwanzig Soldaten in roten Umhängen versammelt, die scheinbar das Training der Orks überwachten.
Rijana blickte Ariac fragend an, aber der wusste auch nicht,
was das sollte. Plötzlich erstarrte er. In der Mitte des Felskessels stand eine wohlbekannte Gestalt, die Befehle brüllte. Unglaublicher Hass wallte in Ariac auf.
»Was ist denn?«, flüsterte Rijana.
Sie erschrak, als er sich zu ihr drehte, seine Augen waren hasserfüllt.
»Worran«, knurrte er.
»Oh!« Rijana schluckte. Dieser Worran musste ein grausamer Kerl sein.
»Ich bringe ihn um«, stieß Ariac mühsam beherrscht hervor.
Rijana packte ihn erschrocken am Arm. »Aber doch nicht jetzt, da sind viel zu viele Soldaten, und sieh dir die ganzen Orks an.«
Ariac schnaubte, aber dann schien er sich zu besinnen.
»Was tun sie mit den Orks, verdammt?«, murmelte er. »Scurr benutzt Orks zum Training der jungen Soldaten, aber das hier? Das sieht aus wie eine kleine Armee.«
Rijana beugte sich weiter über den Abhang. Die Orks waren in Rüstungen gekleidet und prügelten wild aufeinander ein. Immer wieder musste Worran sie trennen und schrie dabei herrisch herum. Sie selbst war noch nie einem Ork begegnet, aber die anderen hatten erzählt, dass diese Wesen sehr stark, wenn auch dumm waren.
Die beiden blieben über Nacht auf der Klippe, aber Ariac konnte nicht schlafen. Er machte sich unablässig Gedanken darüber, was das alles zu bedeuten hatte. Scurr hatte die nördlichen Länder unter seiner Kontrolle. Aber was sollten die Orks?
Auch am Morgen waren Soldaten und Orks noch in dem behelfsmäßigen Lager, und als Rijana und Ariac schließlich aufbrachen, um sie zu umgehen, sahen sie im letzten Moment noch eine weitere Gruppe, die sich von Norden her näherte – noch einmal um die hundert Orks.
»Ich verstehe das nicht«, murmelte Ariac und wirkte ziemlich besorgt.
Rijana versuchte vergeblich, ihn aufzumuntern, aber er blieb während des gesamten mühsamen Abstiegs schweigsam.
Als sie die Ebenen von Catharga erreicht hatten, hielten sie sich möglichst im Wald auf, da sie immer Angst hatten, entdeckt zu werden. Eines Tages hatten sie Glück und konnten einer Gruppe von Soldaten zwei Pferde stehlen, während die Männer betrunken in einem kleinen Hain lagerten. Daher gelangten sie nun schneller zu den Ausläufern des Gebirges von Ursann. Ariac hatte es von dieser Seite noch nie gesehen und musste zu seinem Ärger feststellen, dass die Berge hier beinahe senkrecht in die Höhe ragten, sodass man sie nicht erklimmen konnte. Die beiden bewegten sich immer weiter nach Süden auf den steilsten und am markantesten aufragenden Berg Ursanns zu – den Teufelszahn. Hier hatte vor über tausend Jahren die letzte Schlacht der Sieben stattgefunden. Ariac war immer schweigsamer und verschlossener geworden, je mehr sie sich Ursann genähert hatten. Und als sie auf den riesigen Catharsee zuritten, wurde auch Rijana unwohl zumute. Was würde sie in Ursann erwarten?
Es war mittlerweile Frühsommer, die Tage waren lang und meist warm. Hier in Catharga wehte immer eine frische Brise. In Ursann würde es bereits wieder stickig und schwül sein.
An diesem Abend lagerten die beiden am nördlichen Ende des riesigen Sees, der hier von Bäumen und Büschen umgeben war.
Ariac blickte auf die klare Oberfläche.
»Vor tausend Jahren haben wir schon hier gekämpft. Ich hätte die Elfen fragen sollen, wer ich war.«
Rijana musste schlucken, auch sie fühlte sich merkwürdig. Sie konnte sich nicht an ihr früheres Leben erinnern, nur hin
und wieder kamen ihr Bruchstücke in den Sinn. So wie damals, als sie erfahren hatte, dass sie eine der Sieben war. Rijana umarmte Ariac und blickte zu ihm auf.
»Werden wir wieder in einer Schlacht sterben?«
»Ich weiß
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