Throne of Glass – Die Erwählte
zu fliehen und …« Nehemia holte schwer Luft, hatte Mühe, die Worte über die Lippen zu bringen. »Und die Soldaten haben zur Strafe alle getötet, selbst die Kinder.«
Celaena wurde übel. Fünfhundert – abgeschlachtet.
Sie bemerkte, dass Nehemias persönliche Wachen mit feuchten Augen in der Tür standen. Wie viele der Rebellen hatten sie gekannt – wie viele hatte Nehemia unterstützt und geschützt?
»Wozu bin ich Prinzessin von Eyllwe, wenn ich meinen Leuten nicht helfen kann?«, fragte Nehemia. »Wie kann ich mich ihre Prinzessin nennen, wenn solche Dinge passieren?«
»Es tut mir so leid«, flüsterte Celaena. Als hätten diese Worte den Bann gebrochen, der die Prinzessin auf ihrem Platz gehalten hatte, stürzte Nehemia sich in ihre Arme. Ihr Goldschmuck drückte sich hart in Celaenas Haut. Nehemia weinte. Außerstande, etwas zu sagen, hielt die Assassinin sie einfach fest – so lange, bis der Schmerz ein wenig nachließ.
34
C elaena saß in ihrem Schlafzimmer am Fenster und beobachtete, wie der Schnee in der Nachtluft tanzte. Nehemia war schon lange wieder in ihre eigenen Gemächer zurückgekehrt, mit getrockneten Tränen und in aufrechter Haltung. Die Uhr schlug elf und Celaena streckte sich, erstarrte aber, als ihr ein Schmerz in den Unterleib fuhr. Auf ihren Atem konzentriert, beugte sie sich nach vorn und wartete, dass der Krampf sich löste. So ging das nun schon seit über einer Stunde und sie wickelte sich fester in ihre Decke, denn die Wärme des lodernden Kaminfeuers reichte nicht bis zu ihrem Platz am Fenster. Zum Glück kam Philippa herein und brachte ihr eine Tasse Tee.
»Hier, Kindchen«, sagte sie. »Das wird Euch helfen.« Sie stellte die Tasse auf das Tischchen neben der Assassinin und legte eine Hand auf den Lehnstuhl. »Schrecklich, was mit diesen Rebellen aus Eyllwe passiert ist«, sagte sie leise genug, dass keine fremden Ohren es hören konnten. »Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es der Prinzessin jetzt gehen muss.« Celaena fühlte neben dem Ziehen in ihrem Unterleib brodelnde Wut. »Zum Glück hat sie eine gute Freundin wie Euch.«
Celaena berührte Philippas Hand. »Danke.« Sie griff nach dem Tee, schrie jedoch auf und hätte die glühend heiße Tasse fast in den Schoß fallen lassen.
»Vorsicht!«, lachte Philippa. »Wer hätte gedacht, dass eine Assassinin so ungeschickt sein kann. Gebt Bescheid, wenn Ihr etwas braucht. Mit Regelschmerzen kenne ich mich bestens aus.« Philippa strich Celaena übers Haar und ging. Celaena hätte sich noch einmal bedankt, aber da kam schon der nächste Krampf, und als sich die Tür schloss, beugte sie sich wieder nach vorn.
Bei der kargen Ernährung in Endovier war ihre Regel weggeblieben, hatte aber nach ihrer Gewichtszunahme in den letzten dreieinhalb Monaten nun wieder eingesetzt. Sie stöhnte. Wie sollte sie so trainieren? Bis zu den Zweikämpfen waren es nur noch vier Wochen.
Hinter den Fensterscheiben wirbelten funkelnd und flirrend die Schneeflocken durch die Nacht und tanzten beim Herabsinken einen unwirklich anmutenden Walzer.
Wie konnte Elena erwarten, dass sie etwas Böses in diesem Schloss besiegte, wenn es da draußen noch so viel mehr davon gab? Was war all dies verglichen mit dem, was in anderen Königreichen vor sich ging? Selbst an so nahen Orten wie Endovier und Calaculla? Die Tür zu ihrem Schlafzimmer schwang auf und jemand kam näher.
»Ich habe das mit Nehemia gehört.« Es war Chaol.
»Was macht Ihr hier – ist es nicht ein bisschen spät für Euch?«, fragte sie und zog die Decke fest.
»Ich … Seid Ihr krank?«
»Ich bin unpässlich.«
»Wegen der Sache mit den Aufständischen?«
Kapierte er es nicht? Celaena schnitt eine Grimasse. »Nein. Ich fühle mich wirklich unwohl.«
»Mich macht es auch krank«, murmelte Chaol und sah dabei zu Boden. »All das. Und nachdem ich Endovier gesehen habe …« Er rieb sich das Gesicht, als könnte er die Erinnerungen damit wegwischen.»Fünfhundert Leute«, flüsterte er. Verblüfft darüber, was er da preisgab, konnte sie ihn nur anstarren.
»Ich muss Euch etwas sagen.« Er begann, auf und ab zu gehen. »Ich weiß, dass ich manchmal abweisend zu Euch bin und Ihr Euch bei Dorian darüber beklagt, aber …« Er wandte sich ihr zu. »Es ist gut, dass Ihr Euch mit der Prinzessin angefreundet habt, und ich schätze Eure Offenheit und unerschütterliche Freundschaft zu ihr. Ich weiß, dass sie mit den Aufständischen in Eyllwe in Verbindung stehen soll, aber
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