Throne of Glass – Die Erwählte
Feuer und Schatten von Schneeflocken rieselten über den Boden. Es war der friedlichste, schönste Wintermorgen,den Celaena sich vorstellen konnte. Sie würde ihn nicht mit Gedanken an Nehemia oder den Zweikampf oder den ihr verwehrten Ball heute Abend ruinieren. Nein, es war Julfest und sie würde glücklich sein.
Sie verband diesen Feiertag weder mit der Dunkelheit, aus der das Frühlingslicht entspringt, noch mit der Geburt des Erstgeborenen der Göttin. Es war einfach nur ein Tag, an dem die Leute höflicher waren als sonst, einen Bettler auf der Straße zweimal ansahen und sich daran erinnerten, dass Liebe kein leeres Wort war. Celaena lächelte und drehte sich auf die andere Seite. Aber etwas lag ihr im Weg. Es fühlte sich in ihrem Gesicht knittrig und rau an und roch deutlich nach …
»Süßigkeiten!« Auf einem Kissen stand eine große Papiertüte, die mit allen möglichen Leckereien gefüllt war. Es war kein Briefchen dabei, der Absender hatte nicht einmal seinen Namen auf die Tüte geschrieben. Mit einem Achselzucken und strahlenden Augen griff Celaena hinein. Sie liebte Süßigkeiten!
Sie lachte vergnügt und steckte sich das erste Teil in den Mund. Stück für Stück kaute sie sich durch das ganze Sortiment und schloss genüsslich die Augen, um die unterschiedlichen Geschmacksrichtungen und Konsistenzen zu kosten.
Irgendwann tat ihr der Kiefer weh. Ungeachtet des Zuckers, der dabei herausrieselte, kippte sie den Rest der Tüte aufs Bett und begutachtete das vor ihr ausgebreitete Schlaraffenland.
Alle ihre Lieblingssorten waren dabei: mit Schokolade überzogenes Fruchtgummi, Schoko-Mandelberge, beerenförmige Kaubonbons, Lutschbonbons, Erdnuss-Krokant, normaler Krokant, Zuckerstangen, rote Lakritze mit Zuckerguss und, ganz wichtig, Schokolade. Sie steckte sich einen Haselnusstrüffel in den Mund.
»Irgendjemand«, sagte sie beim Kauen, »meint es wirklich gut mit mir.«
Sie machte eine Pause, um sich die Tüte noch einmal anzusehen. Wer hatte sie geschickt? Vielleicht Dorian. Sicher nicht Nehemia oder Chaol. Und auch nicht die Eisfeen, die braven Kindern Geschenke brachten. Seit sie das erste Mal das Blut eines anderen Menschen vergossen hatte, kamen sie nicht mehr zu ihr. Vielleicht Nox. Er hatte sie ziemlich gern.
»Miss Celaena!« , rief Philippa von der Tür aus und starrte sie an.
»Frohes Julfest, Philippa!«, rief sie zurück. »Mögt Ihr was Süßes?«
Philippa stürmte zu Celaena. »Von wegen frohes Julfest! Seht Euch das Bett an! Was für eine Schweinerei!« Celaena verzog das Gesicht. »Eure Zähne sind knallrot!«, rief Philippa. Sie griff nach dem Handspiegel, den Celaena am Bett liegen hatte, und hielt ihn der Assassinin vors Gesicht.
Tatsächlich waren ihre Zähne blutrot gefärbt. Sie fuhr sich mit der Zunge darüber, versuchte die Flecken dann mit einem Finger wegzuwischen. Sie blieben da. »Diese verdammten Lollis!«
»Ja«, schimpfte Philippa. »Und Euer ganzer Mund ist mit Schokolade verschmiert. Nicht einmal mein Enkel isst seine Süßigkeiten so!«
Celaena lachte. »Ihr habt einen Enkel?«
»Ja, und er kann essen, ohne dass etwas auf seinem Bett, seinen Zähnen oder seinem Gesicht landet!«
Celaena schlug die Decke zurück und verursachte einen Zuckerregen. »Nehmt Euch etwas Süßes, Philippa.«
»Es ist sieben Uhr morgens.« Philippa häufelte den Zucker in ihre hohle Hand. »Euch wird noch schlecht werden.«
»Schlecht? Wem wird denn von Süßigkeiten schlecht?« Celaena schnitt eine Grimasse und zeigte ihre blutroten Zähne.
»Ihr seht aus wie ein Dämon«, stöhnte Philippa. »Macht Euren Mund besser nicht auf, dann merkt es keiner.«
»Wir wissen beide, dass das ganz unmöglich ist.«
Zu ihrer Überraschung lachte Philippa. »Frohes Julfest, Celaena«, sagte sie. Aus Philippas Mund ihren richtigen Namen zu hören, bereitete ihr unerwartet große Freude. »Kommt«, gurrte die Zofe. »Wir müssen Euch anziehen – der Gottesdienst beginnt um neun.« Sie eilte in den Ankleideraum und Celaena sah ihr nach. Phillippas Herz war so groß wie Celaenas Appetit auf Süßes. Der Mensch war gut – ganz tief drinnen steckte in jedem immer ein klein wenig Gutes. Es musste einfach da sein.
~
Wenig später verließ Celaena den Ankleideraum in einem würdevoll wirkenden grünen Kleid, Philippa zufolge das einzige, das sie zum Gottesdienst tragen konnte. Ihre Zähne waren natürlich immer noch rot und inzwischen starrte sie die Tüte mit den Süßigkeiten mit einem
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