Throne of Glass – Die Erwählte
Beine zu etwas benutzt.«
Dorian verschränkte die Arme, als Celaena die Hündin hochnahm. »Das sind ziemlich viele Forderungen. Vielleicht hätte ich Euch doch lieber Schmuck kaufen sollen.«
»Wenn ich trainiere« – sie küsste den weichen Kopf der Hündin, die ihre kalte Nase an Celaenas Hals drückte –, »soll sie im Zwinger sein und ebenfalls trainieren. Wenn ich am Nachmittag wieder da bin, darf sie mir gebracht werden. Über Nacht behalte ich sie hier.« Celaena hielt die Hündin hoch und sah sie an. Die Hündin strampelte in der Luft. »Wenn du einen einzigen meiner Schuhe ruinierst«, sagte sie zu ihr, »mache ich ein Paar Pantoffeln aus dir. Verstanden?«
Die Hündin starrte sie an, die runzelige Braue gehoben, und Celaena setzte sie lächelnd auf den Boden. Dort begann das Tier herumzuschnüffeln, hielt sich allerdings von Dorian fern und verschwand bald unter dem Bett. Die Assassinin hob die bis auf den Boden überhängende Tagesdecke an und spähte ihr hinterher. Zum Glück waren die Wyrdzeichen komplett weggewaschen. Die Hündin setzte ihre Erkundung fort und schnüffelte überall. »Ich muss mir einen Namen für dich überlegen«, sagte Celaena zu ihr und richtete sich auf. »Danke«, sagte sie zu Dorian. »Es ist ein wunderschönes Geschenk.«
Er war nett – ungewöhnlich nett für jemanden aus seinen Kreisen. Er hatte ein Herz und ein Gewissen. Er war anders als die anderen. Schüchtern, fast unbeholfen ging die Assassinin zu ihm und küsste ihn auf die Wange. Seine Haut war überraschend heiß, und sie fragte sich, ob sie etwas falsch gemacht hatte, als sie sich von ihm löste undmerkte, dass seine Augen leuchteten und weit offen waren. War ihr Kuss irgendwie nicht richtig gewesen? Zu nass? Waren ihre Lippen klebrig von den Süßigkeiten? Sie hoffte, er würde sich nicht die Wange abwischen.
»Tut mir leid, dass ich kein Geschenk für Euch habe«, sagte sie.
»Ich – äh, das habe ich nicht erwartet.« Er wurde knallrot und sah auf die Uhr. »Ich muss gehen. Ich sehe Euch im Gottesdienst – oder vielleicht heute Abend nach dem Ball? Ich werde versuchen, so früh wie möglich wegzukommen. Da Ihr nicht da seid, wird Nehemia bestimmt dasselbe tun – dann macht es nicht so einen schlechten Eindruck, wenn ich auch früh gehe.«
Sie hatte ihn noch nie so viel belangloses Zeug plappern hören. »Viel Spaß«, sagte sie, als er einen Schritt zurücktrat und dabei fast den Tisch umstieß.
»Dann sehen wir uns heute Abend«, beharrte er. »Nach dem Ball.«
Sie hielt sich die Hand vor den Mund, um ihr Grinsen zu verbergen. War er etwa wegen ihres Kusses so aus dem Häuschen?
»Bis dann, Celaena.« Er war schon an der Tür. Sie lächelte ihn mit ihren roten Zähnen an und er lachte, bevor er verschwand. Allein in ihren Gemächern, wollte Celaena gerade nachsehen, was ihre neue Gefährtin machte, als ein Gedanke sie durchzuckte:
Nehemia würde auf den Ball gehen.
Diesem zunächst einfachen Gedanken folgten schlimmere. Celaena begann, auf und ab zu gehen. Wenn Nehemia wirklich hinter den Morden an den Champions steckte – und, schlimmer noch, eine wilde Bestie besaß, die sie auf ihre Opfer losließ – und zu allem Überfluss auch noch gerade erst von dem Massaker an ihren Landsleuten erfahren hatte … was gab es dann für eine bessere Gelegenheit, sich an Adarlan zu rächen, als auf dem Ball, wo so viele Angehörige der königlichen Familie unbewacht feiern würden?
Der Gedanke war irrational, das wusste Celaena. Aber nur mal angenommen … nur mal angenommen, Nehemia ließe ihre wilde Bestie auf dem Ball los? Gut, sie hätte nichts dagegen, wenn Kaltain und Perrington einen schrecklichen Tod fanden, aber Dorian würde auch da sein. Und Chaol.
Ihre Finger knetend, ging Celaena in ihr Schlafzimmer. Sie konnte Chaol nicht warnen – denn falls sie sich täuschte, würde es nicht nur ihre Freundschaft mit Nehemia zerstören, sondern auch die diplomatischen Bemühungen der Prinzessin. Aber sie konnte auch nicht die Hände in den Schoß legen.
Oh, sie sollte so etwas nicht einmal denken. Aber sie hatte schon früher erlebt, dass auch Freunde schreckliche Dinge taten, und zu ihrer eigenen Sicherheit war es irgendwann wichtig geworden, immer mit dem Schlimmsten zu rechnen. Sie hatte am eigenen Leib erfahren, wie weit Rachsucht einen Menschen treiben konnte. Vielleicht würde Nehemia gar nichts unternehmen – vielleicht waren ihre Befürchtungen einfach nur paranoid und lächerlich.
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