Throne of Glass – Die Erwählte
irgendetwas über Wyrdzeichen enthalten oder darüber, was sie neben einem Leichnam zu bedeuten hatten. »Ich nehme an, Ihr habt von Verins Tod gehört.«
»Selbstverständlich«, sagte er und ein dunkler Schatten huschte über sein schönes Gesicht. Die Nähe seines Beins war ihr nur allzu bewusst, aber sie konnte sich nicht dazu durchringen, wegzurücken.
»Und Ihr seid überhaupt nicht besorgt, dass so viele Champions von irgendjemandem mithilfe eines wilden Tiers brutal ermordet wurden?«
Dorian beugte sich zu ihr, seine Augen auf ihre geheftet. »Alle diese Morde sind in dunklen, entlegenen Fluren passiert. Ihr seid nie ohne ein Mitglied der königlichen Leibgarde – und Eure Gemächer werden gut bewacht.«
»Um mich selbst mache ich mir keine Sorgen«, sagte sie scharf und rückte ihren Stuhl ein Stückchen zur Seite. Das entsprach nicht ganz der Wahrheit. »Ich finde nur, dass diese Vorfälle ein schlechtes Licht auf Euren hochverehrten Vater werfen.«
»Seit wann macht Ihr Euch Gedanken um den Ruf meines ›hochverehrten‹ Vaters?«
»Seit ich der Champion seines Sohnes bin. Bevor ich diesen absurden Wettkampf nur gewinne, weil ich als Letzte noch am Leben bin, solltet Ihr also vielleicht zusätzliche Mittel für die Aufklärung der Todesfälle bereitstellen.«
»Sonst noch was?«, fragte er. Er war weiterhin nah genug, dass sie seine Lippen berühren konnte, wenn sie sich traute.
»Wenn mir etwas einfällt, lasse ich es Euch wissen.« Sie sahen sich in die Augen. Langsam breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Was für ein Mann war der Kronprinz eigentlich? Auch wenn sie es nicht zugeben wollte, war es schön, jemanden um sich zu haben, selbst einen Havilliard.
Sie verbannte Klauenspuren und gehirnlose Leichen aus ihren Gedanken. »Warum seid Ihr so derangiert? Seid Ihr in Kaltains Fänge geraten?«
»Kaltain? In letzter Zeit zum Glück nicht. Aber heute war so ein schrecklicher Tag. Die Kleinen sind Bastarde und …« Er stützte den Kopf in die Hände.
»Die Kleinen?«
»Eins meiner Weibchen hat Mischlinge zur Welt gebracht. Bisher waren sie zu klein, um es zu erkennen. Aber jetzt … Ich hatte so sehr auf reinrassigen Nachwuchs gehofft.«
»Wir sprechen doch wohl über Hunde, oder?«
»Wäre es Euch lieber, wenn es um Frauen ginge?« Er schenkte ihr ein lausbubenhaftes Grinsen.
»Oh, seid still!«, zischte sie und er kicherte.
»Warum, wenn die Frage erlaubt ist, seid Ihr so derangiert?« Sein Lächeln wurde etwas unsicher. »Chaol hat mir erzählt, dass Ihr mit ihm bei der Leiche wart. Ich hoffe, es hat Euch nicht zu sehr mitgenommen.«
»Überhaupt nicht. Ich habe nur nicht gut geschlafen.«
»Ich auch nicht«, gab er zu. Er setzte sich gerade hin. »Spielt Ihr etwas auf dem Pianoforte für mich?«
Celaena tippte mit dem Fuß auf den Boden und wunderte sich über den Gedankensprung. »Auf keinen Fall.«
»Ihr habt wunderschön gespielt.«
»Wenn ich gewusst hätte, dass mich jemand belauscht, hätte ich überhaupt nicht gespielt.«
»Warum ist Musik für Euch etwas so Persönliches?« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
»Ich kann Musik nicht hören oder spielen, ohne … Ach egal.«
»Nein. Was wolltet Ihr sagen?«
»Nichts von Bedeutung«, wehrte sie ab und stapelte die Bücher aufeinander.
»Wühlt es Erinnerungen auf?«
Sie suchte auf seinem Gesicht nach irgendeinem Zeichen von Spott. »Manchmal.«
»Erinnerungen an Eure Eltern?« Er streckte die Arme aus und reichte ihr die restlichen Bücher.
Celaena stand abrupt auf. »Stellt nicht so dämliche Fragen.«
»Es tut mir leid, wenn ich Euch zu nahe getreten bin.«
Sie gab keine Antwort. Die Tür in ihrer Erinnerung, die sie zu jeder Zeit verschlossen hielt, war durch die Frage aufgestoßen wordenund jetzt versuchte sie krampfhaft, sie wieder zu schließen. Sein Gesicht zu sehen, ihm so nahe zu sein … Die Tür fiel zu und sie drehte den Schlüssel herum.
»Es ist nur«, sagte er, ohne zu ahnen, welchen Kampf er gerade in ihr ausgelöst hatte, »es ist nur, dass ich gar nichts über Euch weiß.«
»Ich bin eine Assassinin.« Ihr Herzschlag beruhigte sich. »Mehr gibt es nicht zu wissen.«
»Ja«, sagte er mit einem Seufzer. »Aber was ist so verkehrt daran, dass ich mehr erfahren will? Zum Beispiel wie Ihr Assassinin geworden seid – und wie Euer Leben vorher aussah.«
»Das ist unwichtig.«
»Ich fände es interessant.« Sie schwieg. »Bitte! Eine Frage – und nicht zu privat,
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