Thursday Next 01 - Der Fall Jane Eyre
Ihnen lieber, wenn ich vorbeikomme und Ihnen die Tür eintrete?« fragte ich, noch lauter werdend. Bowden sah mit hochgezogenen Augenbrauen zu mir herüber.
»Jetzt paß mal auf, du blöde Kuh«, sagte Daisy mit gedämpfter Stimme, damit es Landen nicht hörte, »du hättest Landen heiraten können, und du hast es vermasselt. Schluß, Aus, Ende. Warum suchst du dir nicht irgendeinen verkommenen LitAg oder so jemand – ihr Typen von SpecOps seid doch sowieso alle pervers.«
»Hör zu, du …«
»Nein«, schnauzte Daisy. »
Du
hörst mir zu. Ich warne dich. Wenn du dich meinem Glück in den Weg stellst, dann dreh ich dir den Hals um!«
Plötzlich war die Leitung tot. Wortlos legte ich den Hörer auf und nahm meine Jacke von der Stuhllehne.
»Wo wollen Sie denn hin?« fragte Bowden.
»Auf den Schießstand«, sagte ich, »und das kann dauern.«
22. Däumchen drehen
Jedesmal wenn ein Felix starb, rief das bei Acheron schmerzliche Erinnerungen an den Verlust des ersten Felix hervor. Es war ein harter Schlag gewesen – nicht nur weil er einen getreuen Freund und Komplizen eingebüßt hatte, sondern weil ihn die befremdlichen Gefühle, die dabei auftraten, an seine halb menschliche Herkunft erinnerten, und das war ihm zutiefst zuwider.
Wie Hades war auch Felix durch und durch verdorben und unmoralisch gewesen. Zu seinem Leidwesen verfügte Felix aber nicht über Hades’ dämonische Fähigkeiten und erlitt an jenem schicksalhaften Tag des Jahres 1975, als er und Hades die Goliath-Bank in Hartlepool ausrauben wollten, einen tödlichen Bauchschuß. Felix fügte sich mit stoischer Gelassenheit in sein Los und ermahnte seinen Freund, er solle ja »am Ball bleiben«, bevor ihn Hades von seinen Qualen erlöste. Zum Andenken entfernte Hades das Gesicht seines Freundes und verließ damit den Tatort. Seither genoß jeder Diener, den er der Bevölkerung
entnahm
, die zweifelhafte Ehre, nicht nur den Namen seines einzigen Freundes, sondern auch dessen Antlitz zu tragen.
MILLON DE FLOSS Die vielen Leben des Felix Tabularasa
Bowden setzte die Annonce in den
Swindon Globe
. Zwei Tage später trafen wir uns in Victors Büro zu einer Lagebesprechung.
»Bei uns sind zweiundsiebzig Anrufe eingegangen«, verkündete Victor. »Leider alles Anfragen wegen der Kaninchen.«
»Der Preis ist aber auch wirklich ziemlich niedrig«, frotzelte ich.
»Ich bin eben nicht allzu bewandert, was Kaninchen angeht«, sagte Bowden beleidigt. »Ich fand den Preis völlig angemessen.«
»Streitet euch nicht.« Victor legte eine Akte auf den Tisch. »Die Polizei hat den Kerl, den ihr in Sturmey Archers Werkstatt erschossen habt, doch noch identifizieren können. Er hatte keine Fingerabdrücke, und was sein Gesicht betrifft, lagen Sie mit Ihrer Vermutung goldrichtig, Thursday – es war nicht sein eigenes.«
»Und wer war er?«
Victor klappte die Akte auf. »Ein Buchhalter aus Newbury namens Adrian Smarts. Er ist vor zwei Jahren spurlos verschwunden. Keine Vorstrafen, nicht mal ein Strafmandat wegen zu schnellen Fahrens. Netter Kerl. Familienvater, Kirchgänger und engagiertes Gemeindemitglied.«
»Hades hat ihm seinen Willen gestohlen«, murmelte ich. »Die reinsten Seelen lassen sich am leichtesten mißbrauchen. Als wir ihn erschossen haben, war von Smarts nicht mehr viel übrig. Was ist mit dem Gesicht?«
»Daran arbeiten wir noch. Die Identifizierung könnte sich als weitaus schwieriger erweisen. Laut kriminaltechnischer Untersuchung war Smarts nicht der einzige, der dieses Gesicht getragen hat.«
Ich schrak zusammen.
»Und er muß noch lange nicht der letzte gewesen sein.«
Victor erriet meine Gedanken, griff zum Telefon und wählte Hicks’
Nummer. Binnen zwanzig Minuten hatte ein SO-14-Kommando das Bestattungsunternehmen umstellt, wo Smarts’ Leichnam seiner Familie übergeben worden war. Doch die Kollegen kamen zu spät.
Das Gesicht, das Smarts zwei Jahre lang getragen hatte, war schon verschwunden, und die Überwachungskameras hatten, wie zu erwarten war, nichts aufgezeichnet.
Die Nachricht von Landens bevorstehender Hochzeit hatte mich ziemlich getroffen. Später fand ich heraus, daß er Daisy Mutlar ein gutes Jahr zuvor bei einer Signierstunde kennengelernt hatte. Sie war allem Anschein nach sexy und hübsch, aber mit Sicherheit etwas übergewichtig. Und ein großes Licht war sie wohl auch nicht, zumindest redete ich mir das ein. Landen hatte sich immer schon eine Familie gewünscht, und die hatte er natürlich auch
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