Thursday Next 01 - Der Fall Jane Eyre
wissenschaftlichen Denken auf keinen Fall für sich behalten darf.
Seine Erfindung gehört dem Staat.«
»Das ist ein Irrtum«, beharrte ich, stand auf und wandte mich zum Gehen. »Ein fataler Irrtum. Mycroft wird jede Maschine, die seiner Ansicht nach verheerendes militärisches Potential besitzt, sofort zerstören. Wenn sich alle Wissenschaftler doch nur endlich entschließen würden, sich über die Auswirkungen ihrer Entdeckungen Gedanken zu machen! Dann wären wir alle auf diesem Planeten sehr viel sicherer.«
Schitt klatschte höhnischen Beifall. »Schöne Rede, Miss Next. Aber mich verschonen Sie bitte mit Ihren Moralpredigten. Wenn Sie weiter Ihren Kühlschrank, Ihre Gefriertruhe, Ihr Auto, ein schönes Haus, asphaltierte Straßen und ein funktionierendes Gesundheitssystem haben wollen, dann bedanken Sie sich bei der Rüstungsindustrie, bei der Kriegswirtschaft und bei Goliath. Der Krimkrieg ist gut, Thursday – gut für England und vor allem gut für die Wirtschaft. Sie mögen die Rüstungsindustrie vielleicht nicht, aber ohne sie wären wir ein zehntklassiges Land, das größte Mühe hätte, einen Lebensstandard aufrechtzuerhalten, der auch nur annähernd dem unserer europäischen Nachbarn entspricht.«
»Wenigstens hätten wir dann ein reines Gewissen.«
»Naiv, Next, sehr naiv.«
Schitt widmete sich aufs neue dem Golfspiel, und jetzt übernahm der Commander wieder die Führung. »Officer Next«, sagte er. »Wir haben der Goliath Corporation in dieser Angelegenheit unsere größtmögliche Unterstützung zugesagt. Sie müssen uns helfen, Hades zu fassen. Sie kennen ihn doch aus Ihrer Studienzeit, und dieser Brief ist ausdrücklich an Sie gerichtet. Wir werden auf seine Forderungen eingehen und eine Übergabe vereinbaren. Anschließend werden wir ihn verfolgen und festnehmen. Ein Kinderspiel. Goliath kriegt das Prosa-Portal, wir kriegen das Manuskript, Ihr Onkel und Ihre Tante sind frei, und SpecOps kriegt Hades. Jeder bekommt etwas, und alle sind zufrieden. Vorerst jedoch lassen wir uns nicht verrückt machen und warten auf weitere Anweisungen zwecks Übergabe des Lösegeldes.«
»Ich weiß genausogut wie Sie, daß man Erpressern niemals nachgibt, Sir. So leicht läßt sich Hades nicht hinters Licht führen.«
»Keine Sorge«, entgegnete Hicks. »Wir geben ihm das Geld und schnappen ihn uns, bevor er entwischen kann. Ich setze größtes Vertrauen in Schitts Leute.«
»Mit Verlaub, Sir, aber Acheron ist weitaus raffinierter und skrupelloser, als Sie denken. Wir sollten das allein erledigen. Schitts Profikiller, die wild durch die Gegend ballern, wären dabei nur im Wege.«
»Abgelehnt, Next. Entweder Sie tun, was ich sage, oder Sie tun gar nichts. Das war’s.«
Komischerweise blieb ich vollkommen ruhig. Es war alles wie immer – Goliath ließ sich nie auf Kompromisse ein. Und weil alles wie immer war, gab es auch keinen Grund, sich aufzuregen. Wir mußten uns mit dem begnügen, was wir hatten.
Als wir wieder im Büro waren, wählte ich noch einmal Landens Nummer. Diesmal kam eine Frau an den Apparat; ich fragte nach ihm.
»Er schläft«, sagte sie knapp.
»Könnten Sie ihn vielleicht wecken?« fragte ich. »Es ist ziemlich wichtig.«
»Nein, kann ich nicht. Wer sind Sie überhaupt?«
»Mein Name ist Thursday Next.«
Die Frau gab ein boshaftes Kichern von sich, das mir gar nicht gefiel.
»Ich habe schon viel von Ihnen gehört, Thursday«, sagte sie höhnisch.
»Wer sind denn Sie?«
»Daisy Mutlar, Schätzchen, Landys
Verlobte
.«
Ich lehnte mich langsam zurück und schloß die Augen. Das konnte unmöglich wahr sein. Kein Wunder, daß Landen so sehr daran gelegen war, daß ich ihm verzieh.
»Na, Schätzchen, Sie haben’s sich doch nicht etwa anders überlegt?« fragte Daisy spöttisch. »Landen ist ein wunderbarer Mann. Er hat fast zehn Jahre auf Sie gewartet, aber jetzt ist er
leiderleider
in mich verliebt. Wenn Sie Glück haben, schicken wir Ihnen vielleicht ein Stück Torte, und wenn Sie uns ein Geschenk schicken wollen, die Hochzeitsliste liegt bei Camp Hopson aus.«
Ich hatte einen dicken Kloß im Hals.
»Wann ist denn der große Tag?«
»Für Sie oder für mich?« Daisy lachte. »Für Sie … wer weiß? Was mich angeht, werden mein Landy-Schatz und ich Samstag in vierzehn Tagen zu Mr. und Mrs. Parke-Laine erklärt.«
»Lassen Sie mich mit ihm sprechen«, verlangte ich mit erhobener Stimme.
»
Vielleicht
sage ich ihm, daß Sie angerufen haben, wenn er wach wird.«
»Ist es
Weitere Kostenlose Bücher