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Thursday Next 04 - Es ist was Faul

Thursday Next 04 - Es ist was Faul

Titel: Thursday Next 04 - Es ist was Faul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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silbrige Flanken im Mondlicht schimmerten wie eine Geistererscheinung. Die dreißig Meter hohen Tore des Hangars D waren fest geschlossen, aber in der Nähe eines weitaus kleineren Seiteneingangs entdeckte ich einen schwarzen Mercedes. Ich hielt in einigem Abstand und stellte die Scheinwerfer und den Motor ab. Dann zog ich die Automatic heraus und ersetzte das Magazin. Statt der üblichen Munition nahm ich ein Magazin mit Radierern. Fünf Original
-Eraserheads
. Mehr hatte ich nicht aus der BuchWelt herausschmuggeln können. Dann stieg ich aus, blieb einen Augenblick stehen und lauschte.
    Ich hörte nichts, und so machte ich mich leise auf den Weg zum Seiteneingang des Hangars. Da die großen, über dreihundert Meter langen interkontinentalen Luftschiffe schon seit langem nur noch in den deutschen Zeppelin-Werften gebaut werden, befand sich nur ein relativ kleiner Sechzigsitzer in dem kathedralengroßen Gebäude. Das Gitterwerk des Rumpfes war zur Hälfte fertig. Tausende von filigranen Aluminium-Streben waren zu Dreiecks-Trägern und großen Ringen zusammengeschraubt, in denen später die riesigen Behälter mit Helium Platz finden würden. Im Prinzip war so ein Luftschiff eine ganz einfache Sache, aber die technischen Einzelheiten sahen doch sehr kompliziert aus. Ich sah mich um, aber von Kaine war nichts zu sehen. Ich entsicherte meine Pistole.
    »Kaine?«
    Keine Antwort.
    Ich hörte ein leises Geräusch und fuhr herum. Meine Waffe zeigte auf eine halb fertige Motorgondel, die auf mehreren großen Holzböcken ruhte. Ich verfluchte mich für meine Nervosität und wünschte gleichzeitig, ich hätte Commander Bradshaw bei mir. Dann spürte ich es. Oder ich
roch
es zumindest. Ein schwacher Luftzug wehte den trägen Geruch des Todes in meine Nüstern.
    Aus den Augenwinkeln sah ich ein unbeschreibliches Ungeheuer aus den Schatten der Halle auftauchen und drückte ab. Ich hörte den dumpfen Einschlag des ersten Radierers, und dann wurde die Ausgeburt der Hölle zerlegt. Die Buchstaben, aus denen sie bestanden hatte, rieselten um mich herum wie Splitter einer explodierten Christbaumkugel.
    Jemand klatschte müde in die Hände. Ich sah Kaine im Schatten der Führergondel stehen, die ebenfalls noch im Bau war. Ich zögerte keine Sekunde und schoss. Aber Kaine hatte schon Deckung gesucht: Eine Nebenfigur, die er lässig herbeizitiert hatte, ein kleiner Mann mit runder Brille, wurde an seiner Stelle von dem Radierer getroffen und zerfiel in seine Bestandteile. Kaine blieb ganz unberührt.
    Jetzt trat er aus dem Schatten der Gondel ins Licht. Er war keinen Tag älter geworden, seit ich ihn zuletzt gesehen hatte. Seine Haut war makellos, und sein Scheitel war wie mit dem Lineal gezogen. Nur die wirklich gut beschriebenen Figuren konnte man von echten Menschen nicht unterscheiden, die übrigen – und zu denen zählte auch Kaine – zeigten schematische Züge, die ihren fiktionalen Ursprung verrieten.
    »Amüsieren Sie sich gut?«, fragte ich.
    »O ja«, erwiderte er.
    Er war ein B-Charakter in einer Super-A-Rolle. Er war weit über seine Fähigkeiten hinausgewachsen – ein eitles Jüngelchen war zum Herrscher eines ganzen Landes geworden. Ob er das Goliath, dem Ovinator oder einfach seinen fiktionalen Wurzeln verdankte, wusste ich nicht, aber eins war mir klar: Er stellte sowohl für die wirkliche als auch für die BuchWelt eine Gefahr dar. Jemand, der in der Lage war, nach Gutdünken Ausgeburten der Hölle heraufzubeschwören, konnte nicht ignoriert werden.
    Ich schoss erneut, und wieder geschah dasselbe. Die Figur war eine andere – diesmal stammte sie aus einem Kostümdrama, glaube ich – aber mein Radierer traf wieder den Falschen. Kaine benutzte Nebenfiguren als Schutzschilde. Unruhig sah ich mich um. Ich hatte das Gefühl, in der Falle zu stecken.
    »Sie vergessen«, sagte Kaine, während er mich mit seinen unbeweglichen Augen anstarrte, »dass ich viele Jahre Zeit hatte, um meine Fähigkeiten zu schulen. Es gibt genügend unbedeutende Nebenfiguren in Daphne Farquitts Romanen.«
    »Sie Mörder!«
    Er lachte. »Ach, Thursday! Eine fiktionale Gestalt kann man doch gar nicht ermorden. Wenn das Mord wäre, säßen alle Autoren längst hinter Gittern.«
    »Sie wissen genau, was ich meine«, knurrte ich und ging auf ihn zu. Wenn ich ihn packen und mit ihm in die Fiktion springen konnte, hatte ich so gut wie gewonnen. Aber das wusste Kaine und blieb schön auf Abstand.
    »Sie sind etwas lästig, wissen Sie«, sagte er. »Ich

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