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Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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Augen gesehen. Miroe hat recht, ich habe Schuld auf mich geladen.«
    Eine Zeitlang sah sie ihn schweigend an. »Das warst nicht du ...«, sagte sie schließlich. »Das war Arienrhod. Damals warst du noch ein Knabe, und einer Frau wie ihr nicht gewachsen. Hundertfünfzig Jahre lang hat sie die Seelen von Menschen zerstört. Um ein Haar hätte sie uns alle zugrunde gerichtet.«
    Er ballte die Fäuste. »Du hast eine zu hohe Meinung von mir; ich wußte genau, was ich tat. Als du noch Kommandantin der Hegemonischen Polizei warst, hast du mich besser eingeschätzt, damals hast du mich gehaßt.«
    »Ich haßte den Starbuck, den Schlächter der Königin, und vor allen Dingen haßte ich sie. Zu jener Zeit kannte ich Funke Dawntreader genausowenig wie Mond Dawntreader. Ich dachte, ich hätte dich durchschaut, aber das war ein Irrtum.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich trug die Uniform der Blauen, und ich hielt mich für eine gute Menschenkennerin. Mond erzählte mir, wie du warst, bevor du unter Arienrhods Einfluß gerietest, und sie sagte mir auch, daß du nie wieder so werden würdest. Weil sie ein Kleeblatt trug, glaubte ich an sie, bei dir war ich mir nicht sicher. Aber sie hatte recht. Ich kenne dich jetzt seit fast zehn Jahren, und ich weiß, daß du ein guter Mensch bist.«
    Er spähte zu Mond und Miroe hinauf, die sich immer weiter von ihnen entfernten; neben seiner großgewachsenen breitschultrigen Gestalt sah sie noch kleiner und zerbrechlicher aus. Dann wandte er sich wieder an Jerusha, und zum erstenmal, seit er sich erinnern konnte, hatte er keine Angst, ihr in die Augen zu sehen. »Ich danke dir«, sagte er leise.
    Sie nickte. »Keine Ursache.«
    Er deutete auf Miroe. »Aber seine Ansichten über mich haben sich in diesen zehn Jahren gar nicht geändert.«
    »Das war für mich noch eine neue Erfahrung«, erwiderte sie. »Ich habe erkannt, daß Miroe ein schwer zugänglicher Mensch ist.«
    Funke hörte die Enttäuschung aus ihren Worten heraus und hätte sie am liebsten in den Arm genommen. Er tat es jedoch nicht, denn auch sie hatte etwas Unnahbares, Abweisendes an sich, wie ihr Mann. »Was soll ich machen, damit er endlich auf mich hört? Fällt dir etwas ein?«
    Nachdenklich trat sie von einem Fuß auf den anderen. »Er ist selbstgerecht und hat festgefahrene Ansichten. Sein Glaube an etwas läßt sich nicht so leicht erschüttern. Aber er respektiert Menschen, die ihren Standpunkt mit Entschlossenheit vertreten. Wenn du ihm erzählen willst, was du über die Mers herausgefunden hast, dann geh damit einfach zu ihm. Laß dich nicht abwimmeln, behaupte dich.« Sie lächelte. »Ein Versuch lohnt sich auf alle Fälle. Auf diese Weise habe ich ihm das Geständnis abgerungen, daß er mich liebt.«
    Funke lachte, wurde jedoch gleich wieder ernst. »Kommst du mit?«
    Kopfschüttelnd blickte sie auf den Strand hinunter, wo sich jung und alt dem zeitlosen Vergnügen hingaben, Schätze aus dem Sand zu buddeln. »Nein, diesen Kampf mußt du allein ausfechten, ich würde dir nur im Wege stehen.« Sie breitete die Arme aus. »Ausnahmsweise werde ich auch an den Strand gehen. Viel Glück«, wünschte sie ihm und kletterte durch das wogende Salzgras den Hang hinunter.
    Funke schaute ihr hinterher, bis er merkte, daß er sie im Grunde gar nicht beneidete. Dann stieg er den Hügel hinauf.
    Über ihm drehten sich, beinahe geräuschlos, ein Dutzend Windräder, die wie surrealistische Blumen über das Land verteilt waren; sie verwandelten die rastlose Kraft des Windes in eine Energie, die sich der Mensch nutzbar machen konnte. Sie sorgten dafür, daß das Wasser in den Aquakulturen ständig in Bewegung blieb, und daß Elektrizität für den privaten Gebrauch und für die Fabrik, die am Rande des kleinen Hafens lag, erzeugt wurde. Unweit davon hatten sich die Arbeiter aus dem Wintervolk mit ihren Familien angesiedelt; in altem Stil erbaute Häuser, die eine Wende in der Zeit markierten. Eine neue, modernere Ära war angebrochen.
    Er erreichte das Herrenhaus, das sich wie ein Steinhaufen auf dem Hügelkamm erhob. Die solide Bauweise aus Naturstein und Holz erinnerte an die Häuser, die er in seiner Jugend gekannt hatte. Er dachte daran, daß die Winter- und die Sommerleute ein gemeinsames Erbe hatten, denn um zu überleben, mußten sie die gleichen Probleme bewältigen.
    Funke fragte sich manchmal, wieso die Leute dies so schnell vergaßen. Er fand es pervers, daß man Positives so leicht verdrängte, bittere Erinnerungen hingegen

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