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Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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untereinander verständigten. Die Bänder waren voll mit komplexen, beinahe nicht zu entschlüsselnden polyphonen Melodien, die fremdartig anmuteten und manchmal stundenlang dauerten. Aber es handelte sich um echte Lieder, die sich von einer Merskolonie zur anderen ganz klar unterschieden. Selbst innerhalb einer Kolonie gab es Abweichungen. Jede Mersfamilie schien ein eigenes musikalisches Motiv zu besitzen, das von den Erwachsenen an die Jungen weitergegeben wurde. Vereint gesungen, bildeten diese Gesänge einen größeren Zusammenhang. Erst vor wenigen Wochen war er auf dieses Phänomen gestoßen.
    »Ich habe die Bänder mit den Liedern der Mers studiert. Mir scheint, daß durch das massenhafte Abschlachten ganze Passagen verlorengegangen sind, so daß die Mers den wahren Sinn ihrer Gesänge selbst nicht mehr kennen. Mers vermehren sich nur langsam, auch dann, wenn man sie in Ruhe läßt. Es dauert mindestens hundert Jahre, bis sie ihre ursprüngliche Zahl wieder erreicht haben. Es würde mich nicht wundern, wenn Teile ihrer Lieder für immer verloren sind, aber vielleicht gelingt es uns, die fehlenden Tonfolgen zu rekonstruieren. Möglicherweise könnten wir die Lieder dann verstehen und ihnen sogar das Verlorengegangene zurückgeben.«
    Ngenet beugte sich vor. Plötzlich sah Funke, daß er ihn aus weitaufgerissenen Augen anstarrte. »Das ergibt einen Sinn«, sagte Ngenet langsam, als widerstrebe es ihm, dieses Eingeständnis zu machen.
    Funke biß sich auf die Zunge und lächelte. Er sah, daß sich auf Monds Gesicht Begeisterung und Respekt widerspiegelten, und dann erkannte er den Ausdruck von Liebe. Sie strahlte ihn an.
    Ngenet rutschte noch weiter auf der wuchtigen Couch nach vorn und faltete die knorrigen Hände auf dem Tisch. »Du kannst die Aufzeichnungen prüfen, die ich hier habe. Und erzähl mir mehr über deine Methoden – wie bist du auf die Idee gekommen? Hast du deine Forschungsergebnisse mitgebracht?«
    »Ich kann sie holen.« Funke sprang auf; er konnte es kaum fassen, daß Ngenet ihm nach so langer Zeit unausgesprochener Mißachtung zugehört hatte und sich tatsächlich für seine Arbeit interessierte. Seit einer langen Zeit, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, hatte er auf eigene Faust geforscht und nach einer Möglichkeit gesucht, sich mit Mond und Ngenet zusammenzutun – immer hoffend, eines Tages nicht mehr mit haßerfüllten, angewiderten oder mitleidvollen Blicken betrachtet zu werden.
    Er zögerte, als er plötzlich Hundegebell und die aufgeregten Stimmen der Kinder hörte, die zum Haus zurückkamen.
    Ngenet ärgerte sich sichtlich über die Störung und stand auf.
    »Mama! Mama!« Erhitzt und außer Atem platzte Ariele herein und wäre um ein Haar gegen den Tisch gerannt. »Da!« rief sie, als sie ihren Vater sah. »Wir haben Mers gefunden!«
    Ngenet verriet gelinde Überraschung, seine Gereiztheit legte sich.
    »Das ist ein gutes Zeichen«, sagte Mond, »aber wir sind gerade dabei ...«
    »Am Strand! Am Strand!« schrie Ariele, während noch mehr Personen das Haus betraten. Funke drehte sich um, als Jerusha hereinkam; ihre schweren Stiefel polterten auf dem Holzfußboden, und in den Armen trug sie etwas von der Größe eines Kindes. Vor Schreck erstarrte Funke, bis er neben Jerusha die beiden anderen Kinder sah. »Tot!« fuhr Ariele fort. »Aber seht nur, wir haben ein Baby gefunden!« Sie flitzte zu Jerusha zurück, stellte sich beschützend vor das Bündel, das Jerusha ihr in Augenhöhe entgegenhielt, und fing es behutsam an zu streicheln.
    Funke blieb an seinem Platz stehen. Mit einemmal fühlte er sich so schwach, wie wenn Jerusha eines seiner Kinder im Arm hielte. Mond und Ngenet eilten zu Jerusha, ihr Gespräch und Funke völlig vergessend. Ngenet scheuchte die Kinder zur Seite, die gehorsam ein paar Schritte zurücktraten. Seine Resolutheit zeigte Wirkung.
    »Lebt es noch?« fragte er und tastete den Merling forschend ab. Er betrachtete das kleine, ausdruckslose Gesicht. Der Merling öffnete ein Auge und gab ein leises Wimmern von sich; bei dem kläglichen Laut lief es Funke eiskalt über den Rücken. Er blickte weg, während er sich erinnerte, wie sich ihr samtweiches, dichtes Fell unter seinen Händen angefühlt hatte. Gern wäre er nach vorn gegangen und hätte sich zu den anderen gestellt, aber er konnte nicht. Keiner nahm von ihm Notiz.
    »Wir fanden auch ein ausgewachsenes Weibchen«, erzählte Jerusha. »Aber es war schon tot.«
    »Woran könnte es gestorben sein?« fragte

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