Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
Ngenet. Funke merkte, wie Mond ihn anschaute und den Blick dann rasch wieder abwandte,
»Ich weiß es nicht.« Jerusha schüttelte den Kopf. »Äußere Verletzungen waren nicht zu erkennen. Vielleicht war es der Sturm ...« Die Mers hatten keine natürlichen Feinde, außer ihren Erschaffern.
Funke blies den Atem aus. Jerusha sah ihn an, als wüßte sie, was in ihm vorging. Erst jetzt wurde ihm klar, daß er damit gerechnet hatte, man würde ihm die Schuld am Tod des Merweibchens geben.
Ngenet zuckte die Achseln und blickte auf, als Borah Clearwater und Gran ins Haus kamen. »Es könnten auch Parasiten oder verdorbene Nahrung gewesen sein ... Aber normalerweise hält die ganze Kolonie Wache, wenn ein Mitglied in Schwierigkeiten ist. Vereinzelte Mers findet man höchst selten. Genauso ungewöhnlich ist die Geburt eines Mers zu dieser vorgerückten Jahreszeit.« Er streckte die Arme aus und wollte Jerusha den Merling abnehmen, doch sie behielt ihn und wiegte ihn wie eine Mutter ihr Kind.
Ngenets Miene veränderte sich, und er ließ die Hände wieder sinken. »Vielleicht sind sie durch den Sturm von den anderen getrennt worden. Oder sie ...« Er schüttelte den Kopf. »Ich verstehe das nicht. Aber wir müssen uns sofort um den Merling kümmern, sonst stirb er uns unter den Händen, bevor der Tag um ist, geschweige, bevor wir seine Kolonie gefunden haben.« Er marschierte zur Tür und rief etwas in Richtung Küche.
»Wird sich die Kolonie denn eines verwaisten Merlings annehmen?« fragte Mond, während sie das Köpfchen betrachtete, das matt an Jerushas Schulter ruhte.
»Ich habe noch nie zuvor einen einzelnen Merling gesehen«, erwiderte Ngenet. »Wir werden es herausfinden.« Er verschwieg, daß Mers, die man gewaltsam von ihren Artgenossen trennte, unweigerlich eingingen. Der verdutzten Köchin, die in der Tür erschien, gab er Anweisungen und schickte sie dann fort, damit sie eine passende Nahrung für den Merling zusammenstellte.
»Was ist, wenn die Mers dieses Baby nicht mehr haben wollen, Onkel Miroe?« erkundigte sich Tammis. Mit dunklen, besorgten Augen betrachtete er den Merling. »Muß er dann alleinbleiben? Wer kümmert sich um ihn?«
Ngenet sah den Jungen schmunzelnd an. Sein Leben lang hatte er sich mit den Mers beschäftigt, trotzdem wußte er kaum etwas Konkretes über ihr Sozialverhalten, oder wie sie ihre Jungen aufzogen. »Dann behalten wir eben das Baby. Aber darüber zerbrechen wir uns jetzt noch nicht den Kopf, zuerst müssen wir dafür sorgen, daß dieser Merling gesund und stark wird.«
»Werden wir ihn durchkriegen?« fragte Merovy, indem sie sich gegen den sanften Widerstand der Großmutter nach vorn drängte.
»Wir werden tun, was wir können«, entgegnete Ngenet, einer klaren Antwort ausweichend. Funke sah den Zweifel in seinen Augen. Ngenet berührte den Merling, der reglos in Jerushas Armen lag. Er hatte immer für das Überleben der Mers gekämpft, und das mit einer Entschlossenheit, die ihm die Deportation eingebracht hätte – wenn damals nicht Jerusha die Kommandantin der Hegemonischen Polizei gewesen wäre.
»Miroe«, sagte Mond zögernd, »wenn du diesen Merling wirklich durchbringst, wenn du es schaffst, ihn aufzuziehen, dann könnte das der Durchbruch zu einer Verständigung mit den anderen Mers sein. Wer weiß, was wir auf diese Weise alles lernen können.«
Ngenet nickte. »Daran dachte ich auch schon. Kommt!« Er steuerte auf die Küche zu, und die anderen folgten ihm.
Bis auf Funke. In der Tür drehte sich Ariele um und sah ihn fragend an. »Komm doch mit uns, Da!« Sie lief zu ihm zurück.
Er nahm sie in die Arme und drückte sie an sich.
Ungeduldig löste sie sich von ihm und zerrte an seiner Hand. »Komm, Da, komm, du mußt dem Mer helfen. «
»Ich kann nicht, Ariele«, flüsterte er. »Ich wüßte nicht, wie.« Er befreite seine Hand aus ihrem Griff und schickte sich an, das Zimmer zu verlassen. Als er draußen war, schmetterte er die Tür mit einem lauten Knall ins Schloß.
TIAMAT
Karbunkel
W ar das nicht herrlich, Mama?« Ariele erwiderte die Gute-Nacht-Umarmung der Mutter und klammerte sich aufgeregt an sie. »Wir hatten soviel Spaß! Jetzt haben wir endlich unseren eigenen Merling als Haustier! Ich möchte sie Silky nennen, weil sie ein seidenweiches Fell hat.« Sie wehrte sich, als Mond sie zudecken wollte.
Der Name
Silky
rief in Mond viele Erinnerungen wach. »Sie ist nicht unser Haustier, sondern eine Freundin«, berichtigte sie ihre Tochter und
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