Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
und meine Mutter waren unsere Familie. Ich mag Arienrhods Klon sein, aber sie hat mich nicht großgezogen, sie hat mir nicht zu essen gegeben, sie hat nicht meine Kleidung geflickt, und sie hat mir nicht den Unterschied zwischen Gut und Böse beigebracht. Arienrhod hat mich nicht geliebt ... Und
Liebe
macht eine Mutter oder einen Vater aus. Darauf beruht eine Familie.« Sie sah ihn an. »Und was den Rest der Geschichte betrifft – beim letzten großen Fest fand der Wechsel statt. Wir warfen alle unsere Sünden ins Meer, und die See hat sie davongespült; das ist Verzeihen.«
Er nickte.
»Glaubst du, daß du mir verzeihen kannst?« fragte sie leise. »Und deinem Vater?«
Seine Kehle war wie ausgedorrt, er konnte nicht antworten. Statt dessen umarmte er seine Mutter, und in dem kurzen Augenblick, als sie ihn an sich drückte, fühlte er sich wieder sicher und geborgen. Dann wünschte er ihr wieder eine gute Nacht, und dieses Mal meinte er es wirklich.
ONDINEE
Tuo Ne'el
B oss, ich glaub, es gibt Ärger«, rief Kedalion Niburu über die Schulter nach hinten, ohne den Blick vom Monitor abzuwenden. Darauf zeigte sich die unverkennbare Rautenformation angreifender Jäger. Mindestens ein Dutzend Maschinen verfolgten sie, noch waren sie außer Sichtweite, aber sie holten rasch auf.
»Wer ist das?« Reede ließ sich in den Sitz neben Niburu fallen und beobachtete mit blutunterlaufenen Augen die tote Landschaft. Seit mehreren Stunden schon glitt Tuo Ne'el unter ihnen hinweg; jetzt, wo der Tag angebrochen war, wurde es von Sekunde zu Sekunde heller. Kedalion hätte nie gedacht, daß er einmal froh sein würde, diesen Anblick wiederzusehen, doch seit dem letzten Scan fühlte er sich beinahe, als käme er heim. Mittlerweile hatten sie einen fast zwölfstündigen Direktflug hinter sich, nachdem sie völlig erschöpft und übermüdet auf einem obskuren Raumhafen am anderen Ende dieser Welt zwischengelandet waren. Ohne ein Wort der Erklärung hatte Reede den sofortigen Weiterflug angeordnet, heimlich und mit gefälschten Codes.
Fluchend beobachtete er nun die Displays. »Wer verfolgt uns?« Er stellte die Kontrollen nach, als glaubte er, dort eine Antwort zu finden.
Natürlich bekam er keine. »Ich weiß es nicht«, entgegnete Kedalion, »ich bin mir nur sicher, daß es sich nicht um Humbabas Begrüßungskomitee handelt. Sie reagieren auf keinen Code, und sie führen keine Gespräche miteinander. Ich habe alle Frequenzen ausprobiert. «
»Verdammter Mist!« Reede schlug mit der Faust auf das Paneel, und irgendein System blökte wie protestierend auf. »Beim Anflug verwischten wir unsere Spuren, wie können die Blauen uns auf die Schliche gekommen sein?« Er schüttelte den Kopf. »Nein, das sind nicht die Blauen, die hätten uns ganz offiziell festgenagelt.« Stirnrunzelnd rieb er sich das Gesicht. »Wie weit ist es noch bis Humbabas Festung?«
»Ungefähr zehn Minuten.«
»Können wir vor ihnen da sein?«
»Ich glaube nicht.«
»Funken wir ein Notsignal?«
Kedalion sah Reede an. Er erschrak, als er dessen versteinerte Miene sah. »Klar, aber wir kriegen keine Antwort, Boss. Es scheint niemand da zu sein.«
»Das ist doch verrückt!« Reede schnappte sich den Kommunikator, steckte sich den Kopfhörer ins Ohr und sendete selbst das Notsignal aus. Nichts tat sich, es herrschte Totenstille. Wieder ließ er seine Faust auf das Paneel sausen. Kedalion merkte, wie seine eigenen Hände feucht wurden.
»Glaubst du, sie werden uns rammen?« Reede deutete auf den Bildschirm.
»Nein, dann hätten wir bereits ihren Strahl aufgefangen.«
»Beim Render ...« Reede zupfte an seinem Ohr und suchte den Horizont nach einem Zeichen der Rettung ab. »Sobald es geht, stellst du das Tele auf die Zitadelle ein.«
»Boss ...« Kedalion zögerte. Er erinnerte sich an das geheimnisvolle Treffen auf Nummer Vier, in das er kurz vor ihrem Abflug hineingeplatzt war. Reede hatte ihm gesagt, er solle den Vorfall vergessen. »Gibt es vielleicht jemanden, der uns helfen könnte?«
Reede warf ihm einen raschen Blick zu, dann lehnte er sich zurück und schien ernsthaft über diese Möglichkeit nachzudenken. »Nicht nahe genug, und ich kenne auch niemanden, dem ich trauen würde. Bei unserer Fracht ist es ohnehin ausgeschlossen, auf Beistand zu hoffen. Peil noch mal die Zitadelle an.«
Kedalion versuchte es, ohne Ergebnis.
»Setz einen Ruf an unsere Verfolger ab.«'
Kedalion probierte es auf sämtlichen offenen Frequenzen, aber es kam keine
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