Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
einem riesigen Buntglasfenster, das einen Blick über Aspundhs berühmte Ziergärten gewährte. Aspundh setzte sich auf ein niedriges Kissenpolster neben einen Tisch mit Intarsien aus Amethyst, auf dem bereits gefrostete Gläser und ein Krug mit Getränken standen. Während Gundhalinu auf den Tisch und durch das Fenster schaute, beschlich ihn das verwirrende Gefühl, ein Dejà-vu zu erleben. Aspundh sah ihn neugierig an und wartete.
»Ich fühle mich, als sei ich schon früher einmal in diesem Zimmer gewesen.« Gundhalinu schüttelte den Kopf und deutete ein Achselzucken an. Verstohlen fuhr er mit dem Finger die Kante des Tisches entlang, um sich zu vergewissern, daß er überhaupt real war.
»Mitunter geschehen schon seltsame Dinge, nicht wahr?« Aspundh lächelte. »Für unsere Zusammenkunft habe ich dieses Zimmer gewählt, weil es mich immer an Tiamat erinnert. Mein letztes Gespräch über Tiamat fand nämlich in diesem Raum statt.«
... die Gärten. Wir tranken Lith und aßen gezuckerte Früchte ...
Die Worte hallten in seinem Kopf nach. Als er merkte, daß Aspundh ihn immer noch erwartungsvoll anblickte, fand er seine Stimme wieder. »Mit welchen Leuten unterhielten Sie sich über Tiamat, KR? War vielleicht eine Sibylle namens Mond Dawntreader dabei?«
Aspundh maß ihn mit einem langen, prüfenden Blick.
Gundhalinu wußte, daß er überlegte, ob er ihm ein Geheimnis anvertrauen sollte, das leicht als unehrenhaft, wenn nicht gar verräterisch ausgelegt werden konnte. »Ja«, sagte er schließlich.
Gundhalinus Knie wurden weich, und er mußte sich setzen. »Götter ...«, flüsterte er. Als er den Kopf hob, begegnete er dem mißtrauischen Blick des alten Mannes. »Ein paar Techschmuggler brachten sie zu Ihnen. Mond hat mir diesen Raum beschrieben – jedes Detail. Sie erzählte mir, was sie tranken, und sogar, daß sie im 3-D sahen, wie der alte Singalu zum Tech befördert wurde.« Aspundhs Augen strahlten, doch er sagte nichts. »Und ich wunderte mich warum, im Namen von tausend Ahnen, der ehrenwert KR Aspundh Techschmuggler zum Tee einlädt ...« – er lachte –, »geschweige denn zum Verräter wird, indem er einer für vogelfrei erklärten Sibylle die Rückkehr nach Tiamat ermöglicht, wo sie ihr Volk darüber aufklären kann, wie wir es in Wahrheit ausbeuten.« Er beugte sich vor. »Sie wußten Bescheid, nicht wahr?« sagte er leise. »Daß sie zurückkehren mußte ...«
Aspundh berührte das Kleeblattmedaillon und blickte schuldbewußt drein. »Ich sagte ihr, daß ich mich gegenüber einer höheren Autorität verantworten müßte; daraufhin erzählte sie mir, sie habe eine Nachricht vom Sibyllennetz erhalten. Da sie das Kleeblatt trug, war sie eine Fremde, weit von ihrer Heimatwelt entfernt, und unterstand einer höheren Gerichtsbarkeit ... auch wenn sie selbst es nicht wußte.« Er sah Gundhalinu an. »Sie wissen, was aus ihr wurde?«
»Sie ist die Königin von Tiamat.«
Aspundh erstarrte und wiegte dann bedächtig den Kopf. »Es stimmte also doch.«
Gundhalinu nickte.
»Und in welcher Verbindung stehen Sie zu alledem ... und zu
ihr,
BZ Gundhalinu? Ich kannte Sie schon, als Sie noch ein Junge waren; von Ihnen hätte ich nicht erwartet, daß Sie ...« Er brach ab, als ihm bewußt wurde, wie sonderbar seine Worte klangen.
Gundhalinu lächelte ein bißchen. »Ich habe mich verändert ... durch Mond Dawntreader. Damals war ich Polizei-Inspektor, und ich hatte das Pech, in die Gewalt von räuberischen Nomaden zu gelangen, die wir verfolgten. Sie behandelten mich sehr schlecht. Ich versuchte mich umzubringen, wie es der Ehrencodex meiner Familie erfordert ... aber der Selbstmord mißlang.« Er merkte, wie Aspundh ihn anstarrte, während er sein schmerzlichstes Geheimnis preisgab. »Als Mond auf dem Rückweg nach Karbunkel war, wurde sie von derselben Bande gefangengenommen. Als ich sie kennenlernte, hatte ich schon jede Hoffnung auf Rettung aufgegeben ... für mich gab es keine Zukunft mehr. Aber sie machte mir klar, daß mein Leben ein heiliges Geschenk ist, und nicht weggeworfen werden durfte wie ein schmutziger Lappen. Gemeinsam gelang uns die Flucht. Als wir dann die Stadt erreichten, half ich ihr Königin zu werden. Ich hätte sie verhaften lassen können, es wäre sogar meine Pflicht gewesen, sie festzunehmen; ich wußte,
wo
sie gewesen war, ich wußte,
was
sie war – und welche Konsequenzen sich daraus ergaben. Aber ich ließ sie frei ...«
»Weil Sie beide das hier trugen?« Aspundh zeigte
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